Drei Wunder (German Edition)
ballte die Hände zu Fäusten und bohrte sich nervös ihre Nägel in die Handflächen.
»Sag irgendwas «, flehte Violet sie an und sprang mitten auf den Weg.
»Oh«, stieß Olivia hervor. »Ich weiß nicht, ich meine, ich weiß nicht mehr genau …«
»Ich dachte nämlich, du könntest mich vielleicht einmal dorthin mitnehmen«, sagte Calla und machte ein paar Schritte auf die Eingangstür zu. Lark folgte sofort, und Eve stand ebenfalls auf. »Ich habe heute nach der Schule noch Theatergruppe, aber morgen hätte ich Zeit, wenn es dir auch passen würde.«
Violet war zurück an Olivias Seite und umfasste mit beiden Händen ihren Oberarm. »Du hast keine andere Wahl«, drängte sie. »Sie hat dich gefragt, ob du mit ihr shoppen gehen willst. Das ist Mädchensprache für Bitte sei meine Freundin . Wenn du jetzt nein sagst, entgeht dir eine wahnsinnige Gelegenheit, und wer weiß, wann die nächste kommen wird.«
Olivia schob sich das Haar hinter ein Ohr und biss sich auf die Unterlippe, während sie den Mädchen ins Schulgebäude folgte.
»Das heißt«, fuhr Violet dramatisch fort, »wenn es ein nächstes Mal gibt.«
Calla hielt die Tür für Olivia auf, während Lark und Eve ungeduldig auf der anderen Seite standen.
»Klar«, sagte Olivia und merkte, wie Violet an ihrer Seite applaudierte, als sie in die Eingangshalle traten. »Hört sich gut an.«
Calla streckte die Hände mit nach oben gewandten Handflächen aus. »Danke«, rief sie und seufzte. »Du rettest mir das Leben.«
Sie zwinkerte Olivia zu, bevor sie auf dem Absatz umdrehte und sich bei Lark unterhakte. Eve winkte, und die drei verschwanden im nächsten Flur.
»Also«, sagte eine vorsichtige Stimme hinter ihr. »Was meinst du?«
Olivia hatte Miles völlig vergessen, der anscheinend die ganze Zeit in ihrer Nähe geblieben war und sie jetzt aus großen braunen Augen gespannt ansah.
»Wir haben nicht so wahnsinnig viel Zeit, bis die Präsentation der Bühnenfassungen fällig ist«, sagte er und hakte die Daumen in den Taschen seiner Cargohose ein. »Wir könnten gleich heute nach der Schule bei mir zu Hause anfangen, wenn du magst.«
Olivia schwirrte der Kopf, und gedanklich war sie bereits den Flur entlang hinter Calla hergelaufen, und so kam der Klang ihrer eigenen Stimme für sie selbst überraschend.
»Klar«, sagte sie, wie eine Schallplatte, die einen Sprung hat. »Hört sich gut an.«
16
»Meine Mom fährt total auf Zimbabwe ab.«
Olivia saß auf einem Sofa in der Mitte von Miles’ und Bowies Wohnzimmer. Die Doppelhaushälfte direkt am Park war in Dunkelrot und Orange eingerichtet und beherbergte eine verblüffende Sammlung afrikanischer Kunst. Olivia hatte im ersten Moment gar nicht gewusst, wohin sie schauen sollte, denn jede freie Ecke der Wohnung war voll mit handgeschnitzten Figuren oder kleinen außergewöhnlichen Möbelstücken, deren Funktion nicht auf den ersten Blick erkennbar war.
»Sie macht so Dokumentationen über Frauen in den Entwicklungsländern«, erklärte Bowie und nahm sich eine Handvoll Cashewnüsse aus einer Holzschüssel in Form eines Lilienblattes. »Sie sagt immer, wenn sie nicht bedroht oder beschossen wird, dann filmt sie nicht am richtigen Ort.«
Das Sofa bestand aus einem Gestell, ähnlich dem bloßen Rahmen eines Futons, und war mit einem gelben Stoff überzogen, der in der Mitte eine riesige rote Sonne zeigte. Miles zog ein Ringbuch aus seiner Tasche. Violet hatte beschlossen, dass Schulprojekte eine Strafe waren, die nur Lebende erdulden mussten, und sich stattdessen dafür entschieden, den Streit eines Ehepaars im Café an der Ecke genauer mitzuverfolgen.
»Weißt du, als ich heute Morgen unter der Dusche war, hatte ich eine Idee«, sagte Miles und lief sofort rot an. Olivia schlüpfte aus ihren neuen Stiefeln und zog die Beine aufs Sofa. Sie versuchte, sich nicht Miles unter der Dusche vorzustellen.
»Ich meine, ich habe überlegt …«, fuhr er fort, nachdem er sich nervös geräuspert hatte. »Es scheint, als steckten die Ramsays total in der Vergangenheit fest. Und Lily, die Protagonistin, sie will nach vorne. Es ist eigentlich so ähnlich wie heute, wenn manche Leute einfach die Bedrohung durch die globale Erwärmung völlig verneinen, die aber in Wirklichkeit echt ist, du weißt schon, und …«
»Das ist doch nicht dein Ernst«, rief Bowie, die auf einem kantigen Holzstuhl daneben saß. »Miles, es ist ein Roman. Nicht alles hat mit der Rettung der Umwelt zu tun.«
»Siehst du?«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher