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Drei Wunder (German Edition)

Drei Wunder (German Edition)

Titel: Drei Wunder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Bullen
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Schreiben erhoben. Langsam drehte er den Kopf. »Wie bitte?«
    Erneut drehte sich die ganze Klasse nach Olivia um. Olivias nervöser Blick irrte von einem Gesicht zum nächsten, bevor sie in ein Paar durchdringende dunkle Augen direkt vor sich schaute. Callas perfekt gebogene Augenbrauen waren erwartungsvoll hochgezogen.
    »Zum Leuchtturm« , stieß Olivia hervor, und ihr Blick huschte von Violet zur Klasse und wieder zurück. »Ich wollte nur sagen … ich habe es bereits gelesen.«
    Olivia sah nach unten zu Violet und bat schweigend um Hilfe.
    »Großartig«, sagte MrWhitley, und seine Stimme war kühl und fast ausdruckslos. »Dann wirst du doch sicher nichts dagegen haben, deine Beobachtungen mit dem Rest der Klasse zu teilen.«
    Olivia schluckte. »Sie meinen … jetzt?«
    MrWhitley nickte. »Ich meine … ja«, spöttelte er.
    Olivia hielt sich an ihrem Pult fest. Violet kniete immer noch neben ihr und legte eine Hand auf ihren Rücken.
    »Du schaffst das«, sagte sie. »Es ist wie früher in Willis. Du wirst dich viel besser fühlen, wenn du dich erst einmal vor allen bewährt hast, das verspreche ich dir.«
    Olivia stellte die Beine nebeneinander und blickte auf. Bevor sie anfing zu reden, holte sie noch einmal tief Luft.
    »Ehrlich gesagt«, erklärte sie und zog die Worte in die Länge, um Zeit zu gewinnen, »finde ich, der Roman ist sehr ich-bezogen.« Olivia wand sich verlegen auf dem Stuhl und hielt die Luft an. Sie sah, wie Sommersprosses überhebliches Lächeln sich in ein Stirnrunzeln verwandelte, die Lippen nachdenklich vorgeschoben.
    »Möchtest du das vielleicht näher ausführen?«, fragte er.
    Violet hüpfte voller Schadenfreude auf und ab, während Olivia sich in ihrem Stuhl ein Stückchen zurücklehnte. Eine vertraute Ruhe machte sich in ihr breit. Violet hatte recht. Sie war wieder in ihrem Element und fühlte sich schon viel besser.
    »Offensichtlich«, fuhr sie fort, »war das Buch nicht mehr als ein Versuch Woolfs, ihr Unzulänglichkeitsgefühl in Einklang zu bringen mit dem Gefühl, in der Schuld ihrer elisabethanischen Vorgängerinnen zu stehen, von denen sie sich mit wechselndem Erfolg während ihrer ganzen weiteren Karriere entfernen wollte.«
    Olivia atmete tief durch und nahm die völlige Stille um sich herum auf, ihre Ohren klingelten, und ihr Gesicht brannte. Violet beugte sich zu ihr und flüsterte ihr etwas ein.
    Olivia merkte, wie ihre Mundwinkel sich nach oben bewegten, als sie sich noch weiter zurücklehnte. »Und außerdem«, ergänzte sie, »ist es umstritten, ob sie lesbisch war, aber auf jeden Fall war sie Feministin.«
    Erst nach einem Klopfen mit den Knöcheln und der nutzlosen Androhung von Nachsitzen konnte MrWhitley dem Gelächter der Klasse ein Ende bereiten.
    ***
    »Hey, Madonna!«
    Olivia war schon halb über der Straße, als ihr zwei Dinge bewusst wurden. Erstens hatte sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen Spitznamen. Und zweitens war es Calla Karalekas, die ihn ihr von der Ecke Page und Masonic Street zurief.
    Olivia wich einem Taxi aus und eilte zurück zu der Straßenecke, wo Calla mit zwei anderen Mädchen wartete. Eine war Grahams Freundin, die kleine Asiatin, die bei der Party zu ihm auf die Bühne gegangen war. Das andere Mädchen sah nordisch aus, war ziemlich groß, mit eisblauen Augen und einer breiten, glänzenden Stirn.
    »Madonna, das ist Lark!«, stellte Calla vor und deutete auf die sportliche Blondine, die daraufhin mit den Fingern winkte und lächelte. »Und das«, fuhr Calla fort und hakte sich bei dem zierlichen Mädchen zu ihrer Linken unter, »ist Eve.«
    Eves schulterlanges schwarzes Haar war vollkommen glatt und endete in einem akkuraten Schnitt an ihrem Kinn. Sie reichte Olivia die Hand, und Olivia bemerkte, dass sogar die winzigen Nägel ihrer zarten Finger perfekt gestylt waren.
    »Madonna hat heute Shitley gezeigt, wo’s lang geht«, verkündete Calla. »Er hat sein Klein-Napoleon-Ding abgezogen, und sie hat nicht mal mit der Wimper gezuckt.«
    Olivia versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass ihre eigene Erinnerung an diesen Vorfall etwas anders war, als Violet sie leicht anstupste.
    »Siehst du?«, flüsterte sie und schlug sich mit der Handfläche gegen die Stirn. »Mann, ich hätte hier echt Spaß haben können.«
    »Also, was wollte er?«, fragte Calla, und ihre dunklen Augen blickten warm und ehrlich interessiert. Etwas an ihrer Art ließ Olivia sofort ruhiger werden und erinnerte sie an Violets selbstbewusstes Geplauder.

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