Drei Wunder (German Edition)
Spargel-Brotpudding, das ich schon immer ausprobieren wollte.«
Olivia nahm Spargel und Messer und hielt beides von sich weg wie Artefakte einer untergegangenen Zivilisation.
Miles bemerkte ihr Zögern, nahm das Messer und zeigte ihr, wie man die groben Enden mit einem glatten Schnitt entfernte.
Das Geräusch der Haustür war wieder zu hören, und eine Stimme rief von unten hoch.
»Hallo?« Phoebe Greer kam die Wendeltreppe hoch.
Olivia blickte durch die hohen Küchenfenster hinaus in den Park. Die Sonne schien durch das Blattwerk und warf wechselnde Lichtmuster auf die Wege. Olivia konnte an der Hand abzählen, wie oft ihre Mutter vor Einbruch der Dunkelheit nach Hause gekommen war, und hier war nicht nur eine, sondern es standen gleich zwei Mütter um fünf Uhr nachmittags zusammen in der Küche.
»Hallo Liebes«, grüßte Caroline und schlängelte sich an Olivia vorbei, um eine Plastikschale mit saftigen roten Erdbeeren in den Kühlschrank zu stellen. »Wie war dein Tag?«
»Stinklangweilig«, rief Bowie melodramatisch und kam aus ihrem Zimmer am Ende des Flurs gesprintet. Olivia und Miles drückten sich gegen den Tisch, um Platz zu machen, und Bowie gab jeder Mutter ein Küsschen rechts und links. Der Küchenbereich war nicht übermäßig groß, und sie standen zu fünft dort zusammengedrängt zwischen einer Spüle, einem runden Esstisch und der Kochinsel.
Olivia blickte vom Schneidebrett auf und ihr fiel ein, wie bei ihr zu Hause zurzeit die Familienessen aussahen. Ihre Eltern schienen sich nach dem Wortwechsel am Sonntag immer noch anzuschweigen.
»Hallo Olivia«, sagte Phoebe und legte eine Hand auf ihre Schulter. »Du bleibst doch zum Essen, hoffe ich?«
Olivia sah zu, wie Caroline von der Spüle zum Herd huschte, Zutaten vorbereitete und in Schränken nach Schüsseln suchte. Sie stellte sich vor, wie sie sich alle fünf an den Tisch setzten, Teller herumreichten und jeder lauter sprach als der andere, um überhaupt gehört zu werden. Ihr Herz schmerzte bei dem Gedanken, Teil von etwas zu sein, was so … lebensfroh war.
Doch dann dachte sie an Violet, die am Rande des Parks auf sie wartete. Und sie dachte an ihren Vater, der irgendwelches Essen vom Lieferservice aus Plastikbehältern aß, während er in der Küche stand oder allein vor dem flackernden Fernseher saß.
»Das würde ich gern«, sagte Olivia leise. »Aber ich sollte nach Hause gehen. Meine Eltern werden sich schon wundern, wo ich bin. Wir essen immer zusammen.«
Die Lüge fühlte sich schwerfällig an, wie sie aus ihrem Mund kam, doch niemand schien es zu bemerken. Und einen Augenblick glaubte Olivia sich fast selbst.
Als sie sich verabschiedet hatte und auf die Straße hinausging, wo ihr Schatten sich lang und dunkel über den Gehsteig erstreckte, ließ sie den Gedanken noch in der Luft nachklingen, als wolle sie ihn ausprobieren. Sie könnte ein Mädchen sein wie jedes andere, das zum Abendessen nach Hause ging und sich mit ihren Eltern beim Abendessen unterhielt. Sie könnte ein Mädchen mit einem Leben sein, in dem alles in Ordnung war, so wie früher.
Sie könnte normal sein, dachte sie. Doch als sie um die Ecke zu ihrer Straße kam, sah sie das Haus mit den schiefen Schindeln und den ganzen Bauschutt, der darauf wartete, abgeholt zu werden. Und sie sah Violet, den Geist ihrer toten Schwester, der auf der Treppe saß und auf sie wartete. Und da fiel ihr alles wieder ein:
Das hier war ihr Leben, und es war überhaupt nichts Normales daran.
17
Olivia drehte die Lautstärke ihres iPods hoch und fiel in den angenehmen Rhythmus ein, ihre Füße schlugen gleichmäßig auf der glatten Teerdecke des Weges um den Lake Merced auf, als sie merkte, dass jemand neben ihr lief. Es war das erste Mal, dass der Sportunterricht draußen stattfand, und es dauerte einen Moment, bis sie die verbeulten alten Turnschuhe erkannte, die zu einem gewissen jungen Mann mit grünen Augen gehörten.
Olivia war Soren seit Grahams Party so gut wie möglich aus dem Weg gegangen. Das war nicht schwer gewesen, da sie nur Sport zusammen hatten. Olivia hatte zu ihrem Entsetzen erfahren, dass der Lehrplan in Sport am Golden Gate eine Stunde Yoga beinhaltete. Den Yogaunterricht hielt ein Lehrer namens Morningstar, der einen Pferdeschwanz trug. Olivia hatte bald entdeckt, dass es gewisse Bewegungen gab, für die ihr Körper nicht geschaffen war. Dementsprechend freute sie sich über den vierzehntägig stattfindenden Lauf um den See.
Olivia hatte noch nicht
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