Drei Wunder (German Edition)
denn?«, fragte Olivia ungeduldig.
»Interessant«, sagte Posey.
»Wieso ist das interessant?«, fragte Olivia. »Ich habe mir etwas gewünscht. Der Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Genau so funktioniert die Sache doch, oder?«
»Sicher«, gab Posey zu. »Wenn man ein Zauberkleid trägt.«
Ein schmales Lächeln spielte um ihre Lippen.
»Das habe ich doch, oder?«, fragte Olivia verblüfft.
»Hast du einen Schmetterling gesehen?«, entgegnete Posey.
Olivias Augen wurden groß. Der Schmetterling . Sie mochte damals nicht gemerkt haben, dass sie einen Wunsch ausgesprochen hatte, aber sie hätte es auf jeden Fall gemerkt, wenn ein schimmernder Schmetterling aus ihrem Kleid gekommen wäre.
»Nein«, sagte sie langsam. »Da war kein Schmetterling.«
Posey hob ihre Augenbrauen und sah Olivia herausfordernd an.
»Dann war das gar kein Zauberkleid?«, fragte Olivia verblüfft. »Aber warum nicht? Ich meine, du hast es doch genäht, oder?«
Poseys Lächeln verschwand, und sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe dir ein Kleid genäht«, bestätigte sie. »Aber du hattest eine Regel gebrochen. Du hast deiner Freundin von dem Laden erzählt.«
Olivia setzte sich aufrecht. »Aber ich habe ihr nichts von dir erzählt«, verteidigte sie sich.
»Das weiß ich«, sagte Posey, »deshalb habe ich dir auch nur dieses eine Mal ein normales Kleid genäht.«
»Aber das Kleid von gestern Abend war ein Zauberkleid?«, fragte Olivia, und eine schwere Traurigkeit kehrte in ihre Stimme zurück.
»Leider ja«, sagte Posey.
»Aber«, sagte Olivia, der langsam manches klar wurde, »wenn das Kleid, das ich in der Akademie getragen habe, nicht wirklich ein Zauberkleid war, dann heißt das, dass ich immer noch ein Kleid übrig habe.«
Posey nickte.
»Genau«, sagte sie, und kaum hatte sie das bestätigt, sprang Olivia auch schon auf.
»Super!«, jubelte Olivia. »Dann kann ich mir Violet wieder zurückwünschen.«
Posey saß ruhig da und sah zu Boden.
»Was ist denn?«, fragte Olivia.
»Da ist immer noch die schlechte Nachricht«, sagte Posey. »Erinnerst du dich noch an die Regeln?«
Olivia schloss die Augen und erinnerte sich an diesen Morgen mit Violet und dem staubigen Journal.
»Klar«, sagte Olivia. »Niemandem von den Kleidern erzählen, keine Wünsche nach Weltfrieden, keine zusätzlichen Wünsche …«
Posey saß schweigend da, und Olivia merkte, wie ihre eigene Zuversicht wieder schwand. Sie sprach es gleichzeitig mit Posey aus:
»Kein Wünschen von zweimal dem Gleichen.«
»Du hast dir Violet schon einmal gewünscht«, erklärte Posey langsam. »Tut mir leid.«
Olivia studierte Poseys puppenartige Gesichtszüge, als suche sie dort nach einem Hinweis.
»Warte mal«, stieß sie dann hervor. »Was ist mit der Wünsche-müssen-von-Herzen-kommen-Sache? War das nicht auch eine Regel?«
»Ja.« Posey nickte unsicher. »Aber …«
»Und in meinem Herzen«, fuhr Olivia eifrig fort, »hätte ich mir Violet niemals fortgewünscht.«
Posey zuckte traurig mit den Schultern. »Es tut mir leid, Olivia«, sagte sie, »aber in diesem Moment war es so. Sonst hätte sich der Wunsch nicht erfüllt.«
»Aber ich war so aufgeregt«, erwiderte Olivia. »Alles, was Violet sagte, machte mich nur noch wütender.«
Poseys Blick war verständnisvoll und voller Anteilnahme. »Niemand weiß so gut, welche Knöpfe er bei uns drücken muss, wie jemand aus der Familie.« Sie lächelte.
Olivia lehnte sich an die Rückenlehne des Sofas, ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie fühlte sich, als hätte man sie in den Magen geschlagen, ihre Knie waren wacklig und kippten immer zur Seite weg.
Posey stand auf und ging durchs Zimmer zu einem alten Schrank. Sie öffnete die Tür und zog eine Kleiderhülle heraus, in Farbe und Form genau identisch mit den anderen, die Olivia bisher erhalten hatte. »Hier, bitte«, sagte sie. »Dein drittes und letztes Zauberkleid.« Sie legte Olivia das Kleid in den Schoß.
»Ich möchte es nicht«, murmelte Olivia.
»Wie bitte?«, fragte Posey verblüfft.
»Entschuldigung«, sagte Olivia, »Ich wollte nicht undankbar klingen. Es ist nur, wenn ich mir Violet nicht zurückwünschen kann, dann gibt es nichts, was ich sonst wünschenswert fände.«
Posey zuckte mit den Schultern. »Tja, es liegt ganz bei dir, ob du es benutzen willst oder nicht«, sagte sie, setzte sich hinter ihren Schreibtisch und tastete in der unteren Schublade umher. Sie holte das alte braune Lederbuch heraus und öffnete es in ihrem
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