Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2
von selbst gelöst hatte, dass ich das Mem gefunden habe, ohne es zu suchen – ach, der war leider verfrüht. Felice Lascari sieht in dem Zeichen ihren Talisman, ihren persönlichen Glücksbringer, und sie weigert sich rundheraus, sich davon zu trennen.
Leider ist die Stimmung zwischen uns im Augenblick auch nicht die beste. Ich bin ziemlich ratlos, wie ich nun weiter vorgehen soll.
Ich weiß ja, ich bin auf mich gestellt mit dieser Aufgabe. Und ich werde auch nicht aufhören, nach einer Lösung zu suchen.
Es war nur, dass ich zwischendurch einmal mein Herz erleichtern musste. Ich bin allein hier. Ich sehne mich nach Euch.
Aber ich will nicht, dass Ihr Euch Sorgen macht um mich. Alles wird schließlich noch gut werden – weil es einfach gut werden muss .
Eure Leonie
21
Ein, zwei Tage vergehen nach Leonies Begegnung mit Felice und nichts rührt sich im Palais. Keine neue Unterrichtsstunde wird ausgemacht, keine irgendwie geartete Botschaft erreicht sie. Ihr ist, als habe man sie erst einmal abgeschrieben.
So nimmt sie sich vor, das zu tun, was sie schon so lange vorhatte: ins Theater in der Josefstadt zu gehen, das Haus, das Anton ihr auf seiner Stadtführung gezeigt hatte. Sie weiß inzwischen: Jenes Theater hat der große Max Reinhardt vor einiger Zeit gekauft und völlig nach seinen Vorstellungen umbauen lassen.
Ein Blick in die »Kronen Zeitung«, die sie am Kiosk von Hanna bekommen hat, belehrt sie über den Wochenspielplan: An diesem Abend wird dort wieder das Stück gegeben, mit dem Max Reinhardt am 1.April nämlich das Haus neu eröffnet hat: »Der Diener zweier Herren« von Carlo Goldoni.
Leonie hat das Stück vor längerer Zeit einmal gelesen. Sie erinnert sich dunkel: Ein junger Mann, Florindo mit Namen, hat einen Nebenbuhler im Duell erstochen und ist nach Venedig geflohen, um in der großen Stadt der Justiz zu entgehen. Und nun reist ihm seine Verlobte Beatrice in Männerkleidern nach, um ihm beizustehen und ihn nicht zu verlieren. Ihr schlecht bezahlter und stets hungriger Diener Truffaldino allerdings nimmt in Venedig ohne Beatrices Wissen noch eine zweite Stelle an – ausgerechnet bei dem jungen Mann, den sie sucht ... Natürlich muss er seine zweite Verpflichtung vor Beatrice verschweigen und verstrickt sich in ein Netz von Lügen und Ausflüchten, was jede Menge komischer Situationen hervorruft, zumal da er sich auch noch in die Zofe des Gastgebers dieses Florindo, eine lustige Person namens Smeraldina, verguckt.
Sie, Leonie, fand das Stück eher langweilig. Was mag wohl den großen Theaterzauberer Max Reinhardt bewogen haben, sich mit der »leichten Kost« abzugeben?
Sie ist neugierig.
Auf dem Stadtplan, den sie von Gaston erhalten hat, guckt sie sich den Weg an und zieht los. Weit ist es nicht. Sie kann zu Fuß gehen.
An der Kasse eine Schlange, und als sie drankommt – es läutet schon zum zweiten Mal –, sind die billigen Plätze, auf die sie aus alter Gewohnheit reflektiert, schon alle ausverkauft. Aber dann fällt ihr ja ein, dass sie nicht zu knausern braucht, und sie nimmt einen Mittelplatz auf dem ersten Rang. Das Theater ergreift Besitz von ihr. Alles andere fällt von ihr ab.
Und dann geht der Vorhang hoch.
Was ist denn das?
Ich bin es zwar gewöhnt, dass auf der Bühne nur ein paar Treppenstiegen sind oder ein paar Podeste, dass es kein Bühnenbild mit irgendwelchen Bauten, Türmchen, Häuserfronten und Straßen gibt, wie sie »im Leben« vorkommen. Aber auf dieser Bühne ist gar nichts. Da gibt es nur einen zartgelben Rundhorizont und ein paar Stühle, und auf denen sitzen die Schauspieler, im Kostüm, dem kunterbunten Kostüm des italienischen Volkstheaters, bereit – oder noch nicht bereit?! – zum Auftritt. Sie tun gar nicht so, als wenn wir, die Zuschauer schon da wären! Manche schminken sich noch, einige reden leise miteinander, wieder welche flüstern ihren Text vor sich hin, üben eine Geste. Wir können ihnen zugucken, es ist, als wären wir auf einer Probe. Wir sehen das, was sich eigentlich bei einer Aufführung hinter den Kulissen abspielt.
Dann ein Gongschlag. Zwei Personen stehen auf, eine junge Frau in Hosen, in einer Männerrolle, und ein kleiner krummbeiniger Typ im bunten Flickenkostüm – und er zieht sich vor den Augen des Publikums eine dunkle Maske vors Gesicht.
Ich sitze vor Aufregung ganz vorn auf der Kante meines Sitzes. Wie soll denn das gehen? Der Gesichtsausdruck, die Mimik, dasist doch das Zentrum der Schauspielkunst! Wenn einem das
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