Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2
vom Pförtner beschriebene Tür klopft und he rein gebeten wird.
Der Raum ist klein und kühl und wirkt völlig ausgefüllt von einem schweren eichenen Schreibtisch. Dahinter sitzt einer der jungen Männer, die bei ihrem Vorsprechen im Zuschauerraum waren (sein Gesicht, sieht Leonie jetzt, hat etwas von einem freund lichen Frosch), und jemand, den sie nicht kennt: ein älterer Herr mit strahlend weißer Haartolle und streng geschlossenem Kragen, großer Binder dazu.
Derjunge Mann springt auf, kommt um den monströsen Schreibtischherum und schüttelt ihr heftig die Hand. »Fräulein Lamedé, willkommen! Darf ich vorstellen: Das ist unser Verwaltungsdirektor, Herr Kühnisch.«
Herr Kühnisch nickt ihr gemessen zu und Leonie nickt zurück. Wie der junge Mann heißt, weiß sie nicht. Sie weiß nur, dass er ein Mitarbeiter vom »Meister«, von Max Reinhardt ist.
Man bietet ihr einen Platz in einem Sessel an, der so tief ist, dass sie fast versinkt, fragt sie, ob sie Kaffee oder Tee möchte, und als sie verneint, sagt der junge Mann, der sich nun dicht vor sie hinsetzt: »Entschuldigen Sie, dass es so lange gedauert hat mit unserer Antwort. Aber erstens hatten wir ja noch mehr Bewerber und zweitens mussten wir uns auch mit dem Meister besprechen. Er hat zwar volles Vertrauen in unsere Arbeit, aber schließlich gebührt ihm das letzte Wort im eigenen Haus, nicht wahr?«
Leonie nickt. Ihr Mund ist ausgetrocknet, sie fährt mit der Zunge zwischen Lippen und Zähnen entlang.
»Wir haben zwei Vorschläge für Sie, Fräulein Lamedé, die wir Ihnen gern vorlegen möchten. Der eine betrifft die laufende Aufführung vom ›Diener zweier Herren‹, der andere bezieht sich allerdings erst auf die nächste Spielzeit.«
Schweigen.
Leonie hat das Gefühl, dass ihr Kopf ganz leer und ganz leicht ist. Dann sagt sie (und findet, dass es einfältig klingt): »Meinen Sie, Sie wollen mich – engagieren?«
Ihr Gegenüber schmunzelt. »Ja, das wollen wir allerdings.«
Jetzt bedauert sie, nicht Ja gesagt zu haben zu Kaffee oder Tee oder wenigstens ein Glas Wasser erbeten zu haben. Sie weiß überhaupt nicht mehr, wie sie schlucken soll. Sie sieht vor sich hin. Ist das Wirklichkeit oder träumt sie? Die wollen sie haben? Sie merkt, dass sie an ihren Handschuhen zupft wie ein Schulmädchen beim ersten Ball, und presst die Handflächen aneinander.
Wie aus weiter Ferne hört sie sich die Vorschläge des jungen Manns an. Man hat also vor, sie eine Partie im »Diener zweier Herren« von Goldoni mitstudieren zu lassen, erfährt sie, ohne Spielgarantie, damit man jemanden habe, der einspringen könne,falls die Darstellerin krank werden sollte. Vielleicht steige die Schau spielerin auch demnächst aus – es werde gemunkelt, sie wolle sich verheiraten.
»Welche Rolle?« Auf einmal hat sie ihre Sprache wiedergefunden.
»Die Smeraldina.« Ach ja. Das ist die junge Magd, in die sich der Hauptdarsteller, der Truffaldino, verliebt. Eine schöne komödiantische Partie. Sie nickt heftig.
»Für die nächste Saison möchten wir dem Meister dann empfehlen, Ihnen einen festen Vertrag zu geben. Es kommt eine größere Rolle in einem modernen Stück auf Sie zu.«
»Kein – Nestroy?«, fragt sie schnell.
»Kein Nestroy.« Der junge Mann schmunzelt. »Wir haben uns anders entschlossen, es wird etwas sehr Modernes werden. Freilich«, er zuckt bedauernd die Schultern, »inszeniert Reinhardt nicht selbst, das wissen Sie ja. Aber vielleicht lohnt es sich trotzdem, an dies Haus zu kommen.« Nun lächelt er sie voll an. In diesem Augenblick findet sie, dass der Froschgesichtige der schönste Mensch der Welt ist, und hält sich nur mit Mühe zurück, aufzuspringen und ihn zu küssen.
»Allerdings«, fährt er fort, »könnte Herr Kühnisch Ihnen erst für die neue Saison einen Honorarvertrag geben. Für die Arbeit, die Sie jetzt sofort machen würden, für den Goldoni, gäbe es nur eine Vereinbarung. Diese Geldleute, Sie wissen ja.« Er wirft dem Weißhaarigen einen Blick zu, den der ignoriert – diese »Geldleute« haben wenig Sinn für Scherze.
»Das ist mir egal!«, sagt sie. »Das mit dem Geld, meine ich.«
Er droht mit dem Finger. »Sagen Sie so etwas nicht zu oft und vor allem nicht vor den Ohren von ökonomischen Direktoren. Sie könnten Sie beim Wort nehmen und Sie für nichts und wieder nichts einstellen.« Erneut blickt er den Mann am Schreibtisch an, aber der verzieht keine Miene.
Ich würde sogar dazuzahlen!, denkt Leonie, sagt es
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