Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2
natürlich nicht.
»Sie wären also einverstanden?«
»Aber gewiss doch.«
»Dann gibt es noch eine Sache. Eine spezielle Bitte des Meisters. Er schlägt vor, dass Sie unter Ihrem wirklichen Namen auftreten bei uns. Es könne äußerst wirkungsvoll sein, meint er, wenn am Burgtheater die berühmte Lascari und bei uns eine Lasker auftritt, die eng verwandt miteinander sind – von dem besonderen Lehrer-Schüler-Verhältnis einmal ganz zu schweigen. Und wir würden dafür sorgen, dass man es in Wien weiß.«
»Ich habe nichts dagegen«, erwidert sie. »Lamedé war ohnehin nur – den Verhältnissen geschuldet.«
Er wird feierlich. »Dann sind wir uns also einig? Gut, dann besiegeln wir das nach altem Brauch per Handschlag. Herr Kühnisch ist Zeuge.« Er steht auf und sie zerrt sich schnell den Handschuh von der Rechten und schlägt ein. Ihr ist, als wäre sie das gar nicht selbst.
»Wir lassen Vertrag und Vereinbarung schreiben und schicken sie Ihnen zu. Es wird wieder ein bisschen dauern. Schließlich geht das ja erst nach Salzburg, damit der Meister gegenzeichnen kann. Und lesen Sie sich alles genau durch. Ach ja, das Textbuch des Goldoni können Sie gleich mitnehmen, ich hab es bereitlegen lassen. Dann herzlichen Glückwunsch – Fräulein Lasker, und willkommen bei uns.«
Sie weiß nicht, wie sie hinausgekommen ist. Sie weiß nicht, durch welche Gänge sie geirrt ist, bis sie ein einsichtsvolles Schicksal irgendwie wieder zur Bühne und von da zum Pförtnerhaus geführt hat.
An der Ausgangstür steht eine Gestalt. Dicke Brille, beginnende Glatze, hängende Schultern, ein Lächeln auf dem Gesicht. Sieht eher aus wie ein Buchhalter als ein Mann, der so schön zeichnet. Danny Goldstein.
Endlich hat sie jemanden, dem sie um den Hals fallen kann. »Sie wollen mich!« Mehr bringt sie erst einmal nicht heraus. Goldstein klopft ihr die Schulter. »Ich weiß!«, sagt er. »Ich hab
mit dem Meister telefoniert.«
»Sie haben ... ?«
Er nickt, kostet ihre Überraschung aus. »Ich kann’s ja jetzt verraten. Von den Zeichnungen, die ich beim Vorsprechen gemacht habe – davon hab ich ein paar nach Salzburg zum Meister geschickt. Solche, wo Sie besonders gut in Bewegung zu sehen waren. Und natürlich auch Ihr ausdrucksvolles Gesicht, Ihre Mimik. Ich will nicht sagen, dass es den Ausschlag gegeben hat, aber ein bisschen geholfen hat es schon, denke ich.«
Sie sieht ihn an, sprachlos. Endlich kriegt sie es fertig, zu fragen: »Und was hat er gesagt am Telefon – der Meister?«
Danny grinst. »Ich zitiere Max Reinhardt: Das ist ein Rohdiamant, mein Lieber! Aus der Kleinen kann was werden!«
Nun muss sie ihm noch einmal um den Hals fallen.
29
Sie sind den ganzen restlichen Tag zusammen.
Leonie in einem schwebenden Gefühl, als wäre das Pflaster dieser Stadt so weich wie Wolken.
Sie haben in einem kleinen Restaurant, einem »Beisel«, zu Mittag gegessen und auf Leonies Zukunft angestoßen, und Danny hat ihr versprochen, sie am Tag, wenn sie ihren Vertrag unterschrieben hat, noch in ein anderes »Beisel« auszuführen – ein ganz besonderes, direkt in der Nähe des Theaters, das neuerdings wegen seiner aufregend exotischen Küche das Lieblingslokal der Schauspieler der »Josefstadt« geworden ist.
Immer wieder ertappt sich Leonie dabei, wie sie mit einem vagen Lächeln vor sich hin träumt.
»Woran denken Sie?«, fragt Goldstein schließlich lächelnd.
»Ich bin einfach nur überrumpelt«, sagt sie und schüttelt den Kopf. »Ich habe nie gedacht, dass das etwas werden könnte zwischen mir und dieser Stadt. Zuerst war hier alles so fremd. Und nun auf einmal das.«
»Meine Güte, es ist bloß ein Theaterengagement.«
»Ja, an einer Bühne, von der ich vor einem Jahr nicht einmal zu träumen wagte. Und wenn Sie nicht gewesen wären, da am Theaterausgang, und mich nicht erkannt hätten und wussten, wer ich bin – Sie hat mir der Glücksgott über den Weg geschickt.« Sie fasst über den Tisch hinweg nach seiner Hand.
»Purer Zufall!«, sagt er verlegen. »Und dass man Sie genommen hat, das verdanken Sie nicht mir, sondern Ihrem Können.« Er erhebt sein Glas. »Masel Tow, Leonie, Glück zu! Auf die Zukunft.«
»Auf die Zukunft!« Sie hebt ihr Glas auf halbe Höhe, setztes wieder ab. »Ich möchte, dass wir Du zueinander sagen.« Ihre Wangen röten sich.
»Es ist mir eine Ehre!«, erwidert er ernst. Er nimmt seine Brille ab. Dann beugen sie sich beide über den Tisch und ihre Münder berühren sich, ein
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