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Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2

Titel: Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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ich ihn auf meine »Bühne«. Ich kann mit ihm rechnen. Wenn ich spiele, kommt er. Der kühle Hauch, die Hand an meinem Haar. Das leise Lachen.
    Sein Lachen. Schauernd zwischen Glück und Verzweiflung – denn nichts hiervon ist wirklich! –, fühle ich seine Nähe.
    Ganz vorsichtig fange ich an, meine Julia auszuprobieren, und irgendwo ist in mir die Hoffnung wie ein glimmender Punkt, dass er einsteigen, dass er mitspielen wird. Er wird sich doch den Romeo nicht entgehen lassen!
    Mit Absicht wähle ich Passagen aus, in denen die beiden Darsteller miteinander Wechselreden tauschen, ja, ich habe sogar den Romeo-Text mitgelernt. Aber er lässt sich nicht darauf ein. Die wenigen Male, wenn es mir gelingt, ihn zu hören, von fern, wie durch dicke Nebelschichten, oder ihn mir vorzustellen hinter geschlossenen Augenlidern, dann ist es nicht die neue Rolle. Dann sind es einfach nur Versatzstücke aus den Partien, die ich von ihm kenne: der Abisalom aus Sulamith, der Sternensohn Bar Kochba. Es wird nichts Neues, sosehr ich auch darauf bestehe.
    Ich begreife, dass ich Unmögliches haben will. Hat Isabelle nicht so etwas gesagt? Es sind die alten Spulen ...
    Also verzichte ich nun darauf, diese Dialoge zu erarbeiten, suche mir Stellen aus, in denen ich allein auf der Szene bin, Monologe also oder lange Repliken gegenüber anderen, die dem liebenden Paar helfen wollen, der Amme etwa oder Pater Lorenzo.
    Und dabei hilft er mir. Seine Stimme ist in mir, er sagt mir die Anweisungen, wie er sie mir damals gegeben hat, in Laskarows Jüdischem Künstlertheater in Berlin. Anweisungen, die mich gerettet haben oder auch zur Verzweiflung getrieben, weil es immer nur um das Wie ging und nicht um das Was . Um einen Tonfall, um einen Gang, um die Art und Weise, mit dem Atem hauszuhalten.
    Nun nehme ich mit Gelassenheit, was mich damals noch aufgebracht hat, denn inzwischen weiß ich ja, dass die Schule, durch die ich da gegangen bin, mir das Richtige beigebracht hat, und wehmütig und entzückt zugleich folge ich und befolge, was er mir sagt, schwebend wie in Trance, in lebendiger Zweisamkeit mit ihm vor der Kulisse von Meer und Himmel.
    Manchmal, wenn mir – uns! – eine Passage besonders gut gelungenscheint, trete ich vor bis an den abschüssigen Rand des Felsens und breite die Arme aus, als wollte ich davonfliegen.
    Ich wippe auf den Fußballen; vor mir der Abgrund. »Was ist«, sage ich herausfordernd, »wenn ich mich jetzt fallen lasse, fängst du mich dann auf?«
    Und höre sein Lachen hinter mir und spüre den Hauch, den Kuss, der meinen Nacken streift.
    Das sind die Augenblicke, wo ich der Versuchung nicht wiederstehen kann, weil jede Faser meines Körpers nach einer Umarmung giert, und ich tue wieder und wieder, was keiner der Menschen aus Fleisch und Blut tun darf, wenn er mit Wesen aus einer anderen Welt umgeht: Ich wende mich und halte die leere Luft zwischen meinen ausgestreckten Händen und wieder einmal ist das Spiel vorbei.
    Und dann eile ich zurück zum Schloss, durchgefroren zumeist, zitternd, aber meine Wangen glühen.
    Einmal begegne ich Isabelle in der Halle.
    »Dorthin gehst du nun Tag für Tag?«, sagt sie, mit einer Kopfbewegung in Richtung der Berge, und es klingt ganz beiläufig.
    »Ich habe ja da oben eine Art Bühne gefunden«, antworte ich im Plauderton, so unbefangen, wie es nur geht, »und arbeite an meinen Rollen. Ich will nicht unvorbereitet nach Wien, dann.«
    »Aha«, sagt sie. Und: »Bist du allein da oben oder zu zweit?« Sie sieht mich an.
    Ich erwidere den Blick. »Ich bin nicht allein«, sage ich herausfordernd.
    Sie nickt. »Bist du eigentlich sonst noch irgendwo vorhanden?«, bemerkt sie und wendet sich ab.
    Nein, eigentlich nicht. Aber sie soll mich gehen lassen, jetzt.

14
    Der Frühling lässt sich Zeit dies Jahr am Rand der Pyrenäen. Leonie kommt aus ihrem roten Pullover nicht heraus. Aber weder peitschende Regengüsse noch eisiger Bergwind, weder Wolken noch gelegentliche Schneeschauer, die den bereits blühenden Mandelbäumen eine weiße Umhüllung verleihen, als habe jemand die Jahreszeiten durcheinandergebracht, halten sie davon ab, auf ihre »Bühne« hinaufzusteigen und ihre Spiele zu spielen. Bei denen sie einsam ist, aber nicht allein.
    Freilich: Je länger sie mit ihrem »Dibbuk« zusammen ist, desto verzweifelter vermisst sie seine körperliche Gegenwart. Da ist nichts, außer der Geste, mit der ihr das Haar hinters Ohr gestrichen wird, außer dem kühlen Hauch und der Stimme,

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