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Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2

Titel: Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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den Bruchteil eines Augenblicks aus seiner Figur heraus und belohnt seine Zuschauer mit einem halben »privaten« Lächeln...
    O Himmel, wie soll ich denn spielen ohne dich, Schlomo. Ich beiße die Zähne zusammen. Es tut weh.
    Aber auch wenn es wehtut. Was weh tut, zeigt mir, dass ich lebe. Und vielleicht muss ich ja auch spielen, um dich zu ehren. Damit du in mir lebst.
    Gerade will ich mich zusammenkauern wie Sulamith, die aus Versehen in den Brunnen fällt (warum, zum Teufel, spiele ich eigentlich nicht den Monolog davor, sondern gerade die Szene, wo ich den Partner brauche?), da geschieht es.
    Eine Berührung wie ein Hauch.
    Der Wind, natürlich. Nein, nicht der Wind.
    Jemand streicht mir das Haar hinters Ohr.
    Das tut keiner. Nur einer.
    Ich erstarre. Mein Atem ist fort. Alles in mir ist Erwartung. Und dann, als ich wieder Luft bekomme, sage ich die Worte, die eigentlich er sagt, wenn er die Stimme des Mädchens aus dem Brunnen vernimmt, die jiddischen Worte: »Ha, wos her ich? Ein Kol von ein Ruach?« Nämlich: Was höre ich? Die Stimme eines Geistes?
    Dicht neben meinem Ohr lacht es leise.
    Und noch einmal streift etwas an meinem Haar, meinem Ohr vorbei. »Wenn ich nach dir greife, ist da nur die Luft. Das ist doch so.« Die Stille klingt wie Bestätigung.
    Ich mache den Rücken gerade, stemme mich gegen etwas an, das es gar nicht gibt. Schließe die Augen.
    »Warum hast du so lange gebraucht, mich zu finden? Du wusstest doch, dass ich reisen wollte, hierher mit dir!«
    Wieder dies Lachen. Dies Lachen, das ich kenne.
    Behutsam hebe ich die Hand, lege sie mir selbst auf die Schulter, und in meinem Leib zittert und bebt alles, Herz und Magen, Milz und Zwerchfell.
    Da ist er wieder, der kühle Hauch, der über meine Finger streicht .Wie im Zimmer vor dem Einschlafen. Der Luftzug, der in den Raum wehte, mehr als einmal ...
    »Ich hatte selbst Schuld, nicht wahr?«, sage ich weiter zu der Kühle und der Luft. »Ich war so sehr aus Stein, dass du keinen Weg zu mir gefunden hast, ist es nicht so? Dabei hast du mich keine Sekunde aus den Augen gelassen. Wie solltest du auch? Du warst es schließlich, der gesagt hat: Ich will, dass es für immer ist.«
    Stille.
    »Du musst etwas sagen, Schlomo. Bitte. Sag etwas. Ich brauche deine Stimme.«
    »In mein Harz brennt a Faier. Ich hob dich lieb.«
    Ja. Das waren die jiddischen Worte, die er zu mir sagte, als wir beide in dem alten verstaubten Theatermagazin in der Schendelgasse in Berlins Scheunenviertel nach dem Buchstaben suchten. Das waren sie.
    Wie kann das sein, dass eine Stimme so klingt: geraunt, wie das Rascheln von Seide, wie das Knistern von welken Blättern, und doch ist alles da, das Metallische, die Wärme, der Ton ...
    Die Tränen sitzen mir im Hals, ein dicker Klumpen, an dem ich schlucke.
    »Du kannst nur das zu mir sagen, was in meinem Kopf ist, nicht wahr, Schlomo Laskarow? Du lebst aus mir. Neue Liebesworte für mich wirst du nicht mehr finden. Aber ich werde mich auch mit den alten zufriedengeben. Es gab ja viele davon. Stimme eines Geistes. Kol von ein Ruach. Wenn ich mich jetzt umdrehe, bist du fort, ja? Das ist doch so. Ich werde die leere Luft umarmen. Aber ich fürchte, ich kann’s nicht lassen. Meine Arme fühlen sich an, als wenn ich sie zu lange in kaltes Wasser getaucht hätte, sie tun weh bis in die Adern hinein. Mein ganzer Körper tut mir weh.«
    Ich kenne mich aus in den alten Geschichten. Ich weiß: Wenn man sich umdreht, ist es vorbei. Aber natürlich muss ich es tun und das Nichts in meine Arme schließen ...
    Mir ist schwarz vor Augen geworden.
    Bin ich in meinem ganzen Leben schon einmal ohnmächtig geworden? Ach ja, bei Isabelle, als ich ankam.
    Als ich zu mir komme, liege ich auf den Steinen. Ich habe mir die Knie angeschlagen, und meine Handballen sind aufgescheuert, wahrscheinlich, als ich mich abstützen wollte.
    Ich stehe auf, ein bisschen schwindlig ist mir.
    Wie nennt man das, was ich da erlebt habe?

13
    »Kann ich dir in der Küche helfen?«, fragt Leonie.
    Sie steht in der Tür, Kopf und Schulter an den Pfosten gelehnt, das ganze Mädchen so eine weiche Linie. Um sie ist eine Art sanftes Licht, wie es Maler manchmal ihren durch sie ewig lebenden Lieblingsmodellen verleihen, und sie lächelt; das gab es eigentlich gar nicht, seit sie hier ist, so ein Lächeln.
    Isabelle, die gerade dabei ist, ein paar Artischocken mit spitzem Messer von ihrem ungenießbaren »Heu« im Inneren zu befreien, legt langsam Gemüse und Gerät aus

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