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Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2

Titel: Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Sitz der Recamière. Er scheint in einem Buch zu lesen, aber er ist wohl nicht sehr bei der Sache. Von Zeit zu Zeit wirft er einen schrä gen Blick hoch zum Gesicht der Frau, die sich mit zusammengezogenen Brauen und vorgewölbter Unterlippe ganz der Verschönerung ihrer Zehen widmet, dabei unentwegt vor sich hin summt und ihn nicht zu beachten scheint. Dabei hat er so seine ganz eigene Art, einen kleinen Seufzer von sich zu geben, einen Seufzer, den man merken kann oder auch nicht.
    Die Frau lächelt verstohlen, greift nach der mit Pfauenaugen bedruckten Pulverschachtel, nimmt eine Prise zwischen die Finger und stäubt es schnipsend auf die Lederfeile, aber ein Schwung landet auch auf den Buchseiten des jungen Mannes, und der pustet es mit einem Ausruf des Unmuts fort.
    »Das tust du mit Absicht, Felice!«
    »Natürlich tu ich das mit Absicht. Du liest doch gar nicht, oder?«
    »Ich lese nicht, weil mich dein Gesumme stört. Immer diese ... «
    »... exotischen Melodien, nicht wahr? Das wolltest du doch sagen. Du kannst nicht leiden, wenn ich summe, aber wenn ich es singe, dann magst du es, war es nicht so?«
    Ihr nackter Fuß ist inzwischen zu seinem Buch gewandert und befördert es nun mit einem Kick auf den Teppich.
    »Das ist die Neuausgabe der Stücke von Strindberg! Du solltest mehr Respekt vor deinen zukünftigen Rollen haben.«
    »Ph!«, macht die Frau, und es ist nicht ganz klar, ob es ein abschätziger Ausruf ist oder ob sie nur den letzten Polierstaub von ihren Zehen wegpusten will – sie hat das Bein wieder angewinkelt und betrachtet ihr Werk.
    Der junge Mann jedenfalls ärgert sich. Er erhebt sich aus dem Türkensitz und geht, das Buch aufzuheben, das aufgeblättert, den Einband nach oben, gleichsam hilflos daliegt, glättet vorwurfsvoll die Seiten und legt es zu ein paar anderen Bändchen, die auf dem Boden sind.
    »Ich weiß doch!«, sagt die Frau und lenkt lächelnd ein. »Ich weiß, dass dir etwas auf dem Herzen liegt. Dass du darauf wartest, dass ich dir endlich zuhöre ... Aber du, mein Schatz, weißt auch etwas. Nämlich, dass ich zu nichts bereit bin, bis ich mich wohl- fühle in meinem Körper. Also hab Geduld, Flusch.«
    »Nenn mich nicht Flusch!« Er wirft ihr einen schrägen Blick zu, ergänzt mit einem anzüglichen Grinsen: »Jedenfalls nicht in jeder Situation!«
    Sie betrachtet ihn amüsiert, mit zusammengekniffenen Augen und schief gelegtem Kopf, das lustige Dreieck seines Gesichts mit den hohen Wangenknochen, der flachen Nase und dem spitzen, von einer Kerbe durchzogenen Kinn. Die nicht allzu hohe Stirn, in die ihm eine Haarsträhne fällt, die Katzenaugen – ein jugendlich liebenswürdiges Clownsgesicht, das Gesicht eines Menschen, der vielleicht jünger wirkt, als er in Wirklichkeit ist.
    »Du bist besonders charmant, wenn du eingeschnappt bist, Anton.« (Sie fährt ihm mit der Hand übers Haar, so wie man ein Haustier streichelt.) »Soll ich dich neuerdings mit vollem Namenanreden? Mit vollem Namen, wie war das gleich: Antonius Pius Maria Hyazinth Ehrenreich Edler von ... «
    Er hebt die Arme, als wolle er sich ergeben. »Es reicht, Felice! Es reicht! Musst du dich über mich lustig machen? Was kann ich dafür, dass ich die Namen meiner ganzen Ahnengalerie mit mir herumschleppen muss? Ich hab sie mir nicht ausgesucht.« Er verzieht die Lippen. Fügt dann trocken hinzu: »Außerdem hast du Laurenz Augustin vergessen.«
    »Laurenz Augustin?«
    »Antonius Pius Laurenz Augustin Maria Hyazinth ... «
    Die Frau ist aufgestanden, sie lacht nun. »Ja, jetzt reicht es wirklich! Hör auf, Anton!« Sie packt seinen Kopf mit den Händen, verschließt ihm den Mund mit einem Kuss. »Komm frühstücken. Dann reden wir.«
    Im Erker ist ein zierlicher runder Tisch aufgebaut, weiße Spitzendecke bis zum Boden, durchsichtig-zartes Porzellan, Teekanne und Zuckerdose aus Silber, in einem Korb hauchdünne Schwarzbrotscheiben, Olivenöl in einer Glaskaraffe, Salz. Das merkwürdigste Frühstück, spartanisch bis zur Kargheit, in dem üppigen Ambiente von Portieren und Spitzen und Polstern.
    Die beiden sind Arm in Arm zum Tisch gegangen, setzen sich. Felice spielt die Gastgeberin, schenkt den Tee ein, gibt Zucker in die Tassen, träufelt Olivenöl auf das Brot, streut Salz darauf und reicht dem jungen Mann eine Scheibe. Es ist wie ein spielerisches Ritual.
    Er isst heißhungrig. Sie selbst begnügt sich mit einem halben Brotstück.
    Nach der ersten Tasse Tee, die sie auf einen Zug austrinkt, lehnt sie sich

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