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Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2

Titel: Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Kontur seines Mundes nach.
    »Das versteht sich von selbst.«

2
    Das also ist Wien. Hier soll ich das zweite Zeichen finden, den nächsten Teil meiner Aufgabe erfüllen.
    Ich bin angekommen.
    Nun, im Augenblick stehe ich wie angewurzelt neben meinem Koffer auf dem Bahnsteig und beschließe, mich nicht von der Stelle zu rühren. Schließlich hat mir Gaston versichert, ich sei angekündigt und werde abgeholt.
    Denn das ist kein Bahnhof. Das ist ein Palast. Diese Kuppel! Diese Portale! Dazu diese beiden seitlich zu einer Empore führenden Treppen mit dem durchbrochenen Steingeländer, als wenn man zu einem fürstlichen Empfang geladen wäre!
    Wird man hier willkommen geheißen oder soll man eher eingeschüchtert werden?
    Das Schnauben und Fauchen der Dampflokomotiven, das Schrillen von Zugpfeifen, die unverständlichen Ansagen (sprechen die wirklich Deutsch?), das Rufen und Schreien – all das steigt zur Decke auf und vermischt sich da oben zu einem Durcheinander, das sich gleichsam auf einen herabstürzt wie auf eine Beute. Die Ohren tun einem weh.
    Es ist heiß; die Sonne schickt gebündelt ihre Strahlen durch das gewölbte Glasdach und malt groteske Muster auf den Marmor des Perrons. Ich komme mir verloren vor.
    Während der ganzen langen Reise quer durch Frankreich und den Süden Deutschlands habe ich mich in meinem Zugabteil gefühlt wie in einem fahrenden Wohnzimmer. Ich habe geschlafen oder aus dem Fenster gesehen, meine Rollen memoriert, vor allem die Julia, habe ein bisschen in dem Baedeker Gastons geblättert, bin in den Speisewagen gegangen, um zuessen, und habe voller Neugier dem entgegengesehen, was auf mich zukommt.
    Ich war so guten Mutes. Aber jetzt ist diese Stimmung wie weggeblasen. Das hier überwältigt mich.
    Während ich mich noch unter diesem Wasserfall von neuen Eindrücken ducke, steht plötzlich ein Hüne in gestreiftem Baumwollhemd und mit Seehundschnurrbart vor mir. Er zieht seine Mütze und sagt: »San Sie die Fräulein Lasker, bittschön?«
    Die Fräulein Lasker. Ja, die bin ich wohl. Als ich nicke, packt er ohne Weiteres meinen Koffer, hebt ihn sich auf die Schulter und stiefelt los, und mir bleibt ja wohl nichts anderes übrig, als hinterherzulaufen. Sein Hemd ist am Rücken durchgeschwitzt.
    Auf dem Bahnhofsvorplatz erwartet mich die nächste Überraschung. Da stehen Taxen in Reih und Glied. Aber der Mann mit meinem Koffer geht mit wiegendem Schritt geradewegs auf eine zweispännige Kutsche zu. Auf dem Bock sitzt – ich traue meinen Augen kaum – ein Mann in dunkelgrüner Samtjacke mit Tressen, auf dem Kopf einen Federhut. Sein Bart ist womöglich noch majestätischer als der des Gepäckträgers. Ich bleibe zunächst einmal stehen. So etwas gibt’s doch nur in der Operette!, denke ich. Ich werde also wirklich mit einem Pferdewagen vom Bahnhof abgeholt?
    Unterdessen verstaut man meinen Koffer an der Rückseite dieses Gefährts, und der Operettenmensch zieht vor mir grüßend den Hut, beugt sich, ohne vom Bock zu steigen, nach hinten und öffnet so den Wagenschlag. Das alles geschieht schweigend.
    Nun gut, denke ich. Warum nicht. Ich schwinge mich also in den Fond, setze mich auf die dunkelbraune Lederbank, breite die Arme nach beiden Seiten aus und lege sie auf die Rückenlehne.
    Der Gepäckträger (hier nennt man solche Leute Dienstmänner, wie ich weiß) tritt mit ausgestreckter Hand an mich heran, aber der Mann auf dem Kutschbock knurrt etwas, was ich nicht verstehe; es könnte so etwas wie »Schleich dich!« sein, was wohl bedeutet, dass der da schon bezahlt wurde und mich nicht belästigen soll.
    Dann fahren wir ab, und bis jetzt bin ich einfach aus dem Staunen nicht herausgekommen und habe keine Gelegenheit gehabt, irgendetwas von dieser Stadt Wien aufzunehmen außer dem Bahnhof. Ich glaube, man will mich beeindrucken. Wien will mich beeindrucken.
    Ob ich mich beeindrucken lassen will?
    Die Häuser, die da im gemächlichen Rhythmus des Pferdetrabs an ihr vorüberziehen, sind allenfalls zu vergleichen mit Villen im vornehmen Berliner Stadtteil Grunewald, findet Leonie, nur dass diese hier zur Straße hin so dicht stehen, als wären es Mietskasernen, aber eben mit Toreinfahrten dazwischen.
    Stadtpaläste sind das! An den Fassaden üppige nackte Figuren, die vergoldete geschwungene Balkone tragen, Türen, von denen keine einzige rechteckig ist, sondern alles wellt und bäumt sich, als sei es gar nicht von Maurern und Stuckateuren errichtet, sondern natürlich gewachsen;

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