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Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2

Titel: Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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tief Luft. Dann laufe ich los.
    »Was untersteht ihr euch!«, brülle ich aus voller Lunge, und ich kann laut sein.
    Die Jungen hören sofort auf mit ihrem Hopsen und Schreien und starren mich verdutzt an, und ich brülle weiter: »Was fällt euch ein, ihr Lümmel! Macht, dass ihr wegkommt, oder ich sag’s euren Müttern, was ihr hier treibt!«
    Ich bin offenbar beeindruckend. Mir geht durch den Kopf, dass sie mein Hochdeutsch wahrscheinlich nur zur Hälfte verstehen, aber das ist ja auch egal, wenn’s denn nur wirkt.
    Sie treten wirklich den Rückzug an, zögernd zwar, aber immerhin. Auf sicheren Abstand ruft mir einer zu: »Is doch bloß a alter Jidd!« Und ein zweiter: »Mei Muater, wann ’s so anen sieht, die schlägt ihm die Tür vor der Nasen zu!«
    Dann drehen sie ab und laufen endgültig weg, nicht ohne nochmals ein höhnisches Geschrei anzustimmen.
    Jetzt erst besehe ich mir den Mann im langen Mantel da am Laternenpfahl. Er ist bärtig, hat einen Hut auf dem Kopf, einen Knotenstock am Gürtel, und an einem Lederband um den Hals trägt er einen kleinen geschlossenen Bauchladen. Ein Hausierer. Ein jüdischer Hausierer.
    Er lächelt mich an, mit so einem Lächeln, das Gedemütigte manchmal haben, als wären sie schuld daran, dass man sie peinigt.
    »A broche oif Aich! Seid gesunt!«, bedankt er sich mit einem Segensspruch bei mir, und es sind die jiddischen Worte und der Tonfall, die mich ans Berliner Scheunenviertel erinnern, wo solche wie er, Einwanderer aus dem Osten, zu vielen Hunderten lebten (sie waren ein Teil unseres Theaterpublikums). Und die mich an Selde Laskarow erinnern, Schlomos Mutter, und an ihn ...
    In einer Mischung aus Zorn und Traurigkeit frage ich: »Warum haben Sie sich nicht zur Wehr gesetzt gegen diese frechen Bengel? Sie haben doch da einen Stock!«
    »Sind doch nur Kinderlach!«, sagt er heiser. »Nicht so schlimm.« Nur Kinderchen? »Trotzdem!«
    Er zuckt die Achseln. »Hier in die fremde Medine ... «
    Medine, die Gegend. Die »finstere Medine« hieß das jüdische Scheunenviertel in den Worten seiner Bewohner ...
    Ich lasse den Mann stehen, drehe mich um und gehe fort, laufe fast.
    Nur fort.
    In Berlin habe ich einmal erlebt, wie ein jüdischer Bäcker zusammengeschlagen wurde. Das hier waren »nur Kinderlach«. Aber mir reicht’s. –
    Ist es Zufall? Oder lenkt jemand meine Schritte, dass ich in bestimmte Richtungen gehe, bestimmte Dinge tue, meine Augen auf bestimmte Sachen richte?
    »Zu Hause« lege ich den Mantel ab und stehe vor dem Bücherregal, in das ich meine mitgebrachten Schätze eingeordnet habe. Dabei fällt mein Blick auf ein grün eingebundenes Bändchen, das gar nicht mir gehört. Es stammt aus der kleinen Bibliothek im Hause Laskarow, am Berliner Spittelmarkt. Ich hatte es mir damals ausgeliehen, und dann, als ich gepackt habe, muss es wohl einfach zwischen die anderen gerutscht sein: »Der Born Judas. Märchen, Legenden und Erzählungen.«
    Ich halte das Bändchen in Händen und bin einen Augenblick ganz still. Höre mich atmen. Alles scheint miteinander verknüpft zu sein, das Erlebnis mit diesem Hausierer und jetzt die Entdeckung, dass ich dies Buch bei mir habe. Und darin die Geschichte vom Golem ...
    So war es auch damals, als ich bei Schlomo und seinen Eltern lebte. Mitten in den Proben zu unserem Stück, die mich fesselten und mir kaum Raum ließen für etwas anderes, die mich fast die Suche nach dem Buchstaben vergessen ließen, mitten in dieser Arbeit war das Buch auf einmal da, um mich zu erinnern.
    Nun schlage ich es wieder auf, lese noch einmal die Geschichte,die mich damals so berührt hat. Ich lese davon, dass »die Völker, in deren Mitte die Juden lebten«, diese beschuldigten, das ungesäuerte Brot zum Pessachfest mit dem Blut von Christenkindern zu backen. So auch in der alten Stadt Prag. Hier in Prag war es dann, dass man die Leichen von Christenkindern, statt sie zu beerdigen, heimlich in der Nacht in die Gassen der Judenstadt brachte, um »Beweise« für die Anschuldigung zu haben.
    Aber Rabbi Löw, das Oberhaupt der jüdischen Gemeinde in Prag, so lese ich weiter, sann auf Abhilfe und bat den Himmel, wie er denen, die diese falschen Anklagen verbreiteten, beikommen könne. »Da ward ihm in nächtlichem Gesicht ein Bescheid: Mache ein Menschenbild aus Lehm, und du wirst der Böswilligen Absicht zerstören.«
    Ich lese die Legende weiter, wie die Gestalt aus Lehm gebildet wird, und stelle mir wie damals Isabelle vor, die schmale Frau, wie

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