Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2
kümmere mich darum! Noch heute!« Er stülpt sich seinen Hut aufs Haar, verbeugt sich übertrieben: »Küss die Hand, Leonie!«, und geht.
»Danke, Anton!«, sage ich zu seinem Rücken und füge in Gedanken hinzu: »Flusch.«
Einen merkwürdigen Kosenamen hat meine »Cousine« sich da ausgedacht. Ein bisschen zärtlich, ein bisschen spaßig und auch ein bisschen – nichtachtend? So nennt man ein Spielzeug. Und er lässt sich das gefallen ...
Und warum duze ich »Flusch« nicht einfach? Der ist doch höchstens fünf, sechs Jahre älter als ich. Na ja, die feine Wiener Lebensart.
Bereits am nächsten Tag erhält Leonie über die unentbehrliche Frau Pfleiderer grünes Licht, dergestalt, dass ihr mitgeteilt wird, die gnädige Frau wäre einverstanden, am nächsten Freitagabend zu speisen, was das gnä’ Fräulein zubereiten würde. (Also doch ein Sabbatmahl, denkt Leonie belustigt. Suppe, Fisch und Huhn, dann ein Dessert ...)
»Das ist ja wunderbar!«, sagt sie. »Da müsste ich dann wohl bald einmal einkaufen gehen. Sicher können Sie mir sagen, wo ich am besten frische Lebensmittel und Gewürze bekomme!«
»Am Naschmarkt doch!«, sagt die Pfleiderer und fügt gleich mit runden Augen hinzu: »Gnä’ Fräulein wollen doch nicht etwa eigenhändig einkaufen gehen?«
»Doch, eigenhändig!«, erklärt Leonie und beißt sich auf die Lippen, um nicht loszulachen. »Aber«, fügt sie hinzu, »vielleicht kann mich eine von den beiden Mädchen begleiten – falls abkömmlich«, fügt sie eilig hinzu. »Ich kenne ja den Weg nicht und sie könnte mir auch tragen helfen.« Sie verschweigt, dass es ihr hauptsächlich darum geht, einen Dolmetscher ins Hochdeutsche zu haben, denn wenn die Leute auf diesem Naschmarkt (schönes Wort übrigens!), also wenn die richtig loslegen, wird sie wahrscheinlich kein Wort verstehen.
Es ist dann »das Lieserl«, das sie, zwei Körbe am Arm, in Schürze, Häubchen auf dem blonden Kraushaar, begleitet. Sie selbst hat sich sogar zu Handschuhen bequemt, damit sie als »gnä’ Fräulein« auch wirklich für voll genommen wird.
Vorbei an einem weißen Gebäude, das wie ein Tempel aussieht und auf dessen Dach eine Kugel aus goldenem Blättergerank thront (»Was ist denn das Schönes, Lieserl?« – »Dös is die Sezession, gnä’ Fräulein, da wo die Maler ihre Bilder haben, die ganz modernen, die ausg’schamten. Wir nennen ’s das Krauthappel, weil ’s halt ausschaut wia a Kohlkopf!«), gelangen sie schließlich zu einem schier unübersehbaren Gewirr von Buden, Ständenund Schirmen entlang einer breiten Straße, genannt die Wienzeile: Dort ist der Naschmarkt.
Er hält, was der Name verspricht. Die Augen ihrer Begleiterin werden immer größer – welche Mengen gelangen da nur in ihre Körbe! Und zu was in aller Welt soll es verarbeitet werden?
Ganz am nördlichen Ende des Marktes auf der Wienzeile, in der Nähe der Rudolfsbrücke, findet sich ein Stand, wo unter bunt gestreiftem Schirm ein orientalisch aussehender Mann mit Fes auf dem Kopf und tressenbesetzter Weste sein Sortiment an Kräutern und Gewürzen feilbietet. Das Schild im Hintergrund verkündet in knallroten Buchstaben: »1001 Nacht – die Wohlgerüche Arabiens«. Zwei gekreuzte Türkensäbel sind mehr recht als schlecht dazugemalt.
Hier, so hofft Leonie, wird sie endlich finden, was sie sucht, und steuert drauf zu.
Der Händler baut sich vor den Kundinnen auf wie ein balzender Täuberich. »Reizende Dame! Schönes Kammerkatzerl!« (Das geht auf Lieserl und und soll wohl Zofe meinen.) »Hier findet man alles, wovon der Orient träumt!« Er zwirbelt seinen Schnurrbart und wirft einen Blick auf den Inhalt von ihren Körben. »Abgeriebene Zitronenschale und glatte italienische Petersilie für den Fisch?«, schlägt er vor. Leonie kann ihn verstehen, er spricht nicht den hiesigen Dialekt.
»Und Fenchelsamen, wenn es welchen gibt«, erwidert sie. »Rosmarin brauche ich auch noch. Und Knoblauch, neue Ernte.«
Eilfertig stellt der Händler das Gewünschte zusammen. Unterdessen mustert sie die Auslagen. Ja, er hat auch Lavendel. Und Sternanis. Und Safran. Minze und Koriander sowieso. Sie kauft ein und der Händler wird immer vergnügter. »Fürs Henderl noch ein bisserl was Ausgefallenes zur Füllung?«
»Haben Sie schwarze Oliven?«
»Schwarze Oliven? Zu Diensten, Gnädigste.«
(»Was ist denn dös?«, entfährt es Lieserl, als er die dunklen Früchte mit dem Löffel in ein Schraubglas einfüllt.) Nachdem sie sich ihre
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