Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2
wohlgeratenen Fisch mit zart nach Fenchel duftendem, körnigem Reis.
Nun gut, beim Fisch soll man nicht sprechen. Aber irgendwie hätte ich doch gern ein kleines Wort der Anerkennung gehört.
Schließlich, in der Pause vor dem Huhn (Anton schenkt gerade schweigend unsere Gläser mit dem Riesling wieder voll, mit der albernen Attitüde eines Kellners, Hand hinterm Rücken) halte ich es nicht mehr aus und stelle die dümmste aller Fragen, die ein Küchenchef nur stellen kann: »Schmeckt es denn?«
Anton breitet in einer übertriebenen Geste die Arme aus. »Formi dabel! Gigantisch!«, ruft er, und Felice nippt an ihrem Wein und sagt dann ruhig: »Es ist sehr gut.« Sie macht eine kleine Pause. »Vielleicht solltest du lieber Köchin werden statt Schauspielerin.«
Ein Giftpfeil! Und das, nachdem wir so gut miteinander auskamen auf der letzten Probe! Mir schießt das Blut zu Kopfe und ich kann meine Hände nur mit Mühe still halten. Lass dich nicht provozieren!, rede ich mir zu. Du willst dich nicht mit ihr anlegen, du willst sie gewinnen. So sage ich so freundlich, wie ich nur kann: »Das eine muss das andere ja nicht ausschließen.«
Felice zuckt statt einer Antwort mit den Achseln. Dann wendet sie sich an den jungen Mann und sagt ironisch: »Falls du vorhast, irgendetwas übrig zu lassen, was ich im Moment allerdings bezweifle, kannst du die Reste ja morgen mitnehmen nach Margareten.«
Anton funkelt sie an. »Hör bitte auf! Ich gehe ja nur einmal im Quartal hin!«
»Ja, und mir wäre lieber, du würdest gar nicht gehen. Die Vorstellung ist mir unerträglich. Kann man seine Vergangenheit nicht einfach hinter sich lassen? Ich hab’s schließlich auch getan.«
»Ich weiß ja, dass du mich ganz für dich allein haben willst!«, erwidert er, heftiger, als ich ihn je vorher erlebt habe. »Am liebsten wäre dir, ich wär für dich vom Himmel gefallen, nicht wahr? Ohne jemanden, zu dem ich gehör. Aber das ist nun mal nicht so.«
Ich verstehe kein Wort, habe aber nicht vor, hier zu sitzen, als wäre ich nicht vorhanden, und die beiden reden über meinen Kopf hinweg. So frage ich: »Wer ist diese Margarete?«
»Nicht Margarete, Margareten. Der 3. Bezirk«, belehrt michmeine »Cousine«. Und mit einem schrägen Blick zu Anton: »In Margareten ist das Gefängnis. Unser Herr von Rofrano tätigt da Verwandtschaftsbesuche.«
Anton kaut an den Resten seiner Nägel. »Ich geh auf alle Fälle«, sagt er. »Es gibt ja noch so etwas wie Pietät. Alle Vierteljahre gibt’s so etwas wie Pietät.« Er sieht mich an, mit seinem schiefen Lächeln. »Mein Vater sitzt da ein.«
Ich starre ihn an. »Sie haben mir gesagt, Ihr Vater hätte sich erschossen!«, platze ich heraus. Ich hatte es ihm einfach geglaubt!
»Na ja«, entgegnet er und sieht vor sich hin. »Ich dachte, das hört sich besser an.«
Felice lacht auf. »Unser Herr von Rofrano hat verschiedene Versionen seiner Vergangenheit parat, je nachdem. Sein Herr Papa jedenfalls sitzt im Knast, weil er seinen Adelsbrief als Marchese verschachert hat.«
»Wie?«, frage ich begriffsstutzig. »Weil er zugelassen hat, dass der Name Rofrano verwendet wurde ... «
»Quatsch! Du begreifst nichts von Österreich, Kindchen!«, sagt Felice süffisant und lächelt. »Dass dieser Textdichter den Namen verwenden durfte, das war nur ein kleines Nebengeschäft. Es geht um den Adelstitel, verstehst du? Da kam so ein Geldsack aus Jamaika daher, der war süchtig nach europäischen Titeln. Hatte sich schon für ein hübsches Sümmchen den Status eines Honorarkonsuls erschachert – ein Titel, der gar nichts besagt. Nun wollte er auch noch Marchese sein, von Adel. Gefundenes Fressen für Antons Herrn Papa. Leider aber war der Adelsbrief von ihm schon einmal verkauft worden. Also eine kleine Fälschung. Und der Clou bei der Sache war, dass in Österreich die Adelstitel seit 1918 ganz abgeschafft sind! Das wusste der Jamaikaner natürlich nicht. Aber so sieht’s aus, und dass wir ihn hier« (sie macht eine Bewegung mit dem Kinn zu Anton) »noch als ›Edler‹ anreden, ist reine Zuvorkommenheit.« Sie schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch und lacht lautlos. Ihre Augen leuchten vor boshaftem Vergnügen.
»Ach, deswegen kommt doch keiner ins Gefängnis!«, widersprichtAnton und schiebt sein Besteck beiseite. »Im Gefängnis sitzt er wegen Spielschulden!«
»Scheckbetrug, mein Lieber, Scheckbetrug!«
Anton funkelt sie an. Er beginnt, vor Nervosität mit einem Bein zu zappeln.
Felice
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