Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2
mich ihr nähern kann. Es hat mit unserer Küche zu tun ... Ich hoffe, dass es geht.
Im Übrigen ist sie eine große Schauspielerin und ich lerne von ihr viel. Meine Julia ist dabei, sich durch ihren Unterricht zu verändern. Danke, Gaston, dass Du mir das ermöglichst!
Diese große Stadt ist sehr anders als Berlin und mir bisher sehr fremd. Aber vielleicht werde ich ja auch gar nicht mehr lange bleiben müssen.
Ich umarme Euch. Eure Leonie.
Sorgfältig studiere ich den Spielplan der »Burg«. Wann steht ein Stück auf dem Programm, in dem Felice Lascari nicht mitspielt? Wann hat sie einen freien Abend?
Außerdem habe ich so etwas wie einen Arbeitsplan von ihr entdeckt. Einen Kalender, in dem die Tage oder Stunden rot durchgestrichen sind, an denen sie Probe oder Vorstellung hat oder sonst irgendwelche Verpflichtungen, angepinnt an dem kleinen Bücherbord in dem Salon mit dem übergroßen blassroten Sessel (das Ding heißt übrigens Recamière, habe ich erfahren). Ich nehme an, damit sich die Dienstboten beziehungsweise die Frau Pfleiderer daran orientieren können.
Auf diesem Kalender entdecke ich ein freies Wochenende.
Nein, mit einem Sabbatessen will ich in diesem Haus niemandem kommen. Das würde wahrscheinlich nur spöttisch hochgezogene Augenbrauen zur Folge haben – hier, wo man einen Kultgegenstand wie das Mem als Halskette herumträgt.
Geben wir dem Kind einfach einen anderen Namen.
Um die Sache einzufädeln, brauche ich allerdings einen, der mitzieht. Jemanden, der seinen gesunden Appetit gern in der Gesindestube befriedigt.
Ich passe also einen schönen Vormittag ab, wenn Anton Edler von Rofrano (wie nannte man ihn doch gleich am Abend auf den Treppenstufen? Flusch?) barfuß in seinen Schuhen, einen fliederfarbenen langen Schal malerisch um den Hals geschlungen, den Strohhut in der Hand, schwungvoll das Haus verlässt, trete schnell aus meinem Anbau hervor und sage: »Ach, Anton, darf ich Sie kurz sprechen?«
Er mustert mich spöttisch-neugierig, den Kopf schief gelegt. (Seit jener unglücklichen Soiree haben weder er noch Felice wieder ein Wort an mich gerichtet, was aber nichts heißen muss. Meine nächste Unterrichtsstunde bei der Schauspielerin ist erst für nächste Woche geplant und was soll sie schon groß mit mir reden?)
»Jederzeit«, erwidert er und lässt sich auf der Außentreppe nieder, genau da, wo an jenem Abend Felice Lascari ihren Ärger, ihren Zorn, ihren Frust von sich gegeben hat. Also, Zufall ist das bestimmt nicht. Nun stützt er auch noch die Arme hinter sich auf, gibt mir zu verstehen, dass er mich tatsächlich beim Lauschen bemerkt hat. Miststück.
Ich lasse mich jedoch nicht ins Bockshorn jagen. Ruhig sage ich in diese hübschen zu mir aufgeschlagenen Augen hinein: »Ich brauche Ihre Hilfe. Ich möchte ausbügeln, dass ich mich auf der Abendgesellschaft so töricht aufgeführt und Felice in Verlegenheit gebracht habe. Ich war einfach – überwältigt.« (Wovon, das lasse ich lieber offen.)
Er zieht die Brauen in die Höhe. »Und was stellen Sie sich da vor?«
»Ich habe mir etwas ausgedacht, eine kleine Geste der Wiedergutmachung sozusagen. Ich koche sehr gut, habe es von meinem Vater gelernt. Leichte, exotische Küche. Ich würde Felice und Sie gern zu einem kleinen von mir zubereiteten Souper einladen. Ich hatte das ohnehin vor, gleichsam als Revanche für die Gastfreundschaft, die ich hier genieße.« (Von Gastons Schecks wollen wir mal lieber schweigen.) »Was meinen Sie, könnten Sie die Hausherrin wohl dazu überreden?«
Auf seinem Gesicht malt sich jetzt unverhohlenes Erstaunen. »Ein Souper?«
Ich nicke. »Klein, aber fein«, sage ich schmeichelnd. »Etwas Besonderes. Weder Hirn mit Ei oder ... was isst man hier gleich wieder? ... Tafelspitz mit Kren, nicht wahr.«
»Etwas aus Berlin?«, fragt er misstrauisch. Er hat seine Haltung aufgegeben, sitzt jetzt vornübergebeugt.
»Eisbein mit Sauerkraut?« Ich lache. »Bestimmt nicht. Das würde keinem hier schmecken.«
»Ich weiß nicht einmal, was das ist, Eisbein«, sagt er und knabbert an der Nagelhaut seines Daumens – etwas anderes zum Abnagen ist da auch nicht mehr zu finden.
»Also für etwas wirklich Exotisches ist Felice bestimmt zu haben.« Er hat wohl Feuer gefangen.
»Wenn es gefällt, könnte das ja eine Dauereinrichtung werden«, setze ich noch eins drauf. »Ich könnte mindestens einmal in der Woche kochen.«
Antons Augen glänzen. »Ich rede mit ihr!«, sagt er und erhebt sich. »Ich
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