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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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»Mehr ist es diesmal noch nicht.«
    »Und die Polizei?«
    »Mach dich nicht lächerlich, Leonie!«
    »Das Theater?«
    »Steht noch!«, sagt er mit einem halben Aufl achen. Noch immer flüstert er. »Sie haben weiter hinten angefangen, in der Linienstraße. Bei den Straßenmädchen, den Jüdinnen unter ihnen. Und die Ganoven, die dort herumhängen, die haben ja fast alle Messer. Die haben sich das bestimmt nicht gefallen lassen. Das war nicht so lustig für diese Meute. Aber dann kamen welche durch die Grenadierstraße und auch zu uns. Sie sind durch die Hotelhalle rein, und Adi Oberländer hat uns erstmal von der Bühne weg nach hinten in sein Büro geschickt und angefangen, mit denen zu verhandeln. Wir wären schon alle weg, hat er gesagt. Und man könne sich doch irgendwie einigen. Währenddessen haben die sich mit unserer Dekoration beschäftigt. Du kannst dir vorstellen, wie. Es ging über die Kulissen her, und sie haben ein paar Kostüme ... verdreckt. Dann hätten sie wohl gern ein bisschen gezündelt. Die hier hatten Fackeln dabei. Aber Oberländer hat sie beruhigt. Das heißt, er hat das Hotel freigekauft. Das Hotel und uns und das, was von den Dekorationen noch übrig war. Mit Dollars, wie sonst. Klar, das müssen wir ihm zurückzahlen irgendwann. Und in der Zeit hat uns sein Sohn in den Keller geführt, praktisch an denen vorbei. War ja nicht sicher, ob die nicht die Dollars nehmen und trotzdem weitermachen würden.« Wieder lacht er nervös auf.
    »Und du?« Leonie ist dicht bei ihm. »Was hast du gemacht?«
    »Ich bin abgehauen aus dem Keller, durch die Luke. Tate-Mame wollten mich zurückhalten. Aber ich musste dich doch warnen, dass du denen nicht über den Weg läufst. Dich nach Haus schicken.«
    Noch immer lehnen sie an der kahlen Wand des Magazins. Es ist stockdunkel hier drin und kalt. Vorn auf der Straße scheint alles ruhig zu sein. Aber das mag daran liegen, dass der Krach nicht bis hierher dringt, auf diesen Hof, durch diese Mauern und festen Türen. Dass sie nun woanders wüten, weiter weg.
     
    Wir beide zusammen, als wären wir allein auf der Welt. Ich spüre Schlomos Nähe. Die Wärme seines Körpers neben mir. Höre seinen Atem.
    Ja.
    Ich drehe mich zu ihm um und beginne ihn zu küssen. Sein Gesicht ist warm und schmeckt salzig. Tränen? Seiner Stimme hatte ich die nicht anmerken können. Mit steifen Fingern beginne ich, ihm das Hemd aufzuknöpfen.
    »Leonie!«, murmelt er. »An diesem Abend? Nach diesen Schrecken?«
    »Ja«, sage ich. »Nach diesen Schrecken. Hier bin ich, hier bist du. Wir sind beieinander. Du hast mich eben ... ja, du hast mich gerettet. Sie wären auf mich losgegangen, wer weiß, was passiert wäre. Worauf warten wir?«
    Er antwortet nicht. Seufzt unter meinen Liebkosungen, hingelehnt an die Wand, bewegt den Kopf hin und her. Es ist sehr fi nster, aber mir ist, als sähe ich Gesten, Lippen, Hände vor mir. Eingeprägt hinter meiner Stirn. Nun schmecke ich ihn. Küsse seine Augenlider. Küsse die süßliche Schminke von seinen Wangen weg und das leicht bittere Karmin auf den Lippen. Dringe zu ihm vor in seinen Mund, zu seiner Zunge, halte sie so sanft zwischen meinen Zähnen, wie man einen Liebesbrief vorsichtig mit einer Klammer festheftet.
    Endlich löst sich seine Erstarrung, »antwortet« er mir. Erwidert den Kuss, öffnet meinen Mantel, schiebt seine Hände unter meinen Rock.
    Dann, tastend im Dunkeln, nimmt er mich an der Hand, führt mich weiter in das Magazin hinein. Zwischen den Garderobenstangen bleibt er stehen, reißt eine Handvoll Kledasche von den Bügeln, wirft sie auf den Fußboden.
    Wir lassen uns auf die Schals und Umhänge fallen, auf die gestärkten Kleider und knisternden Taftroben, auf Pelz und Samt und Kunstseide, als sei es ein Bett aus Daunen.
    »Muss erst solche Nacht kommen, damit wir endlich beieinander sind?«, flüstert er an meiner Schulter. »Ich bin fast gestorben vor Sehnsucht nach dir! Halbe Nächte habe ich wach gelegen und mir vorgestellt ... und du in diesem dummen Dienstbotenzimmer...«
    »Alles ist gut, wie es jetzt ist, Schlomo Laskarow, mein Vetter und Liebster.«
    »Leonie Lasker, meine Cousine und Geliebte. Mitten im Pogrom.«
    »Beieinander.«
    Plötzlich ist ein verhaltenes Lachen in seiner Stimme. »Und ich hatte doch vor, dich nach der Premiere zu verführen. Im Hotelzimmer. Nach allen Regeln der Kunst.«
    »Gegen alle Regeln der Kunst hab ich ja nichts«, erwidere ich. Meine Lippen sind inzwischen taub von seinen Küssen.

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