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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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gab’s viele Tote. Wir haben uns versteckt im großem Kamin. Dann haben sie Feuer gemacht. Wir sind fast erstickt. Danach sind wir fort nach Deutschland.« Sie macht eine Pause. »Mendel, ob sie auch zu uns nach Haus kommen irgendwann?« Sie flüstert fast.
    »Ach! Nun hör aber auf!«, sagt er und winkt verächtlich ab. »Am Spittelmarkt? Das doch nicht!«
    »Aber das ist nicht das letzte Mal hier im Viertel, was?«
    »Wenn ich mir überlege, denke ich: Wenn sie einmal angefangen haben, dann kommen sie auch wieder.« Er legt seiner Frau den Arm um die Hüfte. »Was soll’s, Selde. Laskarows Künstler-Theater ist un geschoren geblieben seit fast einem Vierteljahrhundert. Das ist sehr viel. Mehr geht vielleicht nicht.«
    Die Chefi n reckt den Hals. »Schloime kommt! Endlich!«, sagt sie. »Er hat das Mädchen dabei. Ihr ist – gelobt sei Gott – auch nichts passiert.«
    Er nickt erleichtert.
    Sie guckt. »Die sind aber sehr dicht beisammen!«
    »Also«, erwidert ihr Mann mit Nachdruck und atmet tief durch. »Er hat sie nun einmal dabei. Und du lass es dann auch gut sein, Selde-Leben.«
    »Seit wann weißt du?«
    »Ich hab doch Augen im Kopf, Weib.«
    »Aber...«
    »Lass es einfach gut sein, hörst du!?«
    Schlomo Laskarow und Leonie Lasker-Landau-Lamedé kommen in den Saal und betreten gemeinsam die Bühne. Sie müssen es sich gefallen lassen, dass die Chefi n die zum Glück unbeschädigt gebliebenen Rampenlichter einschaltet.
    »Mamele, muss das jetzt sein?«, fragt der Hauptdarsteller und hält die Hand schützend vor die Augen.
    Keine Antwort. Offenbar muss es sein.
    Mamele mustert die beiden. Ziemlich lange. Dann atmet sie tief aus.
    Sie sehen ganz passabel aus, so generell, abgesehen von Schlomos zerrissenem Ärmel und den schlotternden Strümpfen des Mädchens; auch hat sie den Mantel verkehrt zugeknöpft.
    Das wirklich Sehenswerte sind ihre Gesichter. Der Sohn des Hauses war ja losgerannt, ohne abgeschminkt zu sein. Nun haben sich die Farben seines Gesichts in unregelmäßigen Flecken auch auf das Gesicht der jungen Frau neben ihm ausgebreitet. Sie tragen beide gleichsam bunte Flickenteppiche spazieren, alles an der falschen Stelle, Augenschwarz am Mund des Mädchens und Wangenrot auf ihrer Nase, dafür fehlt in Schlomos Gesicht die Lippenschminke Karmin fast völlig, und seine Lidstriche verlaufen ir gendwo zwischen Schläfe und Ohr.
    Die beiden Alten tauschen einen Blick.
    »Wo seid ihr gewesen?«, fragt Selde.
    »In der Schendelgasse.«
    Wieder werden sie gemustert.
    »Irgendwelche Unannehmlichkeiten?«, fragt Mendel lakonisch weiter.
    Schlomo schüttelt den Kopf. »Nur dass sie das Holz und die Kohlen geklaut haben.«
    Jetzt hebt Selde dramatisch die Hände zum Himmel, unterlässt es dann aber, ein größeres Lamento um das Brennmaterial für den Winter anzustimmen.
    »Was habt ihr gesehen?«
    »Lass mal. Alles ruhig jetzt.«
    Während dieses merkwürdig beiläufi gen Dialogs hat Leonie ihren falsch zugeknöpften Mantel ausgezogen und über einen der Stühle auf der Bühne gelegt. »Soll ich helfen, Frau Laskarow?«
    Die Chefi n zieht eine Augenbraue hoch und sagt den rätselhaften Satz: »Du hilf dir lieber mal selbst. Kümmer dich um dich selber, ja?« Dann wendet sie sich an ihren Sohn: »Und du, wie du aussiehst! Gut, dass dich kejner hot gesehen! Zieh dich um und schmink dejn Maske weg! – Du übrigens auch«, wendet sie sich an Leonie.
    Während Schlomo in Richtung Garderobe verschwindet, hält seine Mutter Leonie am Arm fest.
    »Du hast da Blut am Rock.«
    Keine Antwort.
    »Hat dir jemand was getan, was du nicht wolltest?«
    Leonie sieht ihr gerade und ruhig in die Augen. »Nein. Nichts, was ich nicht wollte.«
    Die Laskarow holt tief Luft, aber der Hausherr mahnt von seinem verdorbenen Hintergrundprospekt her: »Selde!«
    Leonie verschwindet ebenfalls von der ruinierten Bühne.
     
    Die Garderoben hier sind viel kleiner als in den Sophien-Sälen und nur behelfsmäßig.
    Und der Topf mit der Abschminkvaseline in der Damengarderobe ist fast leer.
    Sie sitzt einen Moment da, ohne sich zu rühren. Dann geht sie auf die andere Seite des Ganges und klopft an die Garderobentür der Herren (den Luxus von Einzeletablissements bietet das Hotel Oberländer nicht).
    »Komm rein«, sagt Schlomo. Er sitzt mit nacktem Oberkörper und barfuß vor seinem Spiegel und wischt sich gerade die Farben vom Gesicht.
    »Was für ein Tag!«, sagt er undeutlich, da er gerade die Lippen und die Partie am Kinn abschminkt.

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