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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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das und jenes tuen könnte!«
    Und dann fahre ich zum Spittelmarkt und bin zu Bett, wenn sich die geräuschvolle Ankunft meiner Verwandten im Treppenhaus ankündigt. (Madame versäumt nie, bei mir kurz die Klinke zu drücken, ob ich auch abgeriegelt habe.)
    Und dann ... Ja, und dann. Ich liege im Bett, den Käfi g mit dem Sittich neben mir, werfe mich unruhig hin und her.
    Es ist ja nun wahrhaftig nicht nur so, dass es Schlomo quält, mich in der Wohnung zu wissen. Ich quäle mich doch genauso! Keine zwanzig Schritt von mir über den Flur entfernt ist sein Zimmer. Und wir kommen nicht zueinander, denn keiner von uns beiden hat Lust, jene uralte Posse zu spielen: Sohn des Hauses besucht heimlich Zimmermädchen (wahlweise: Mamsell, Zofe, Haushälterin, Kindermädchen) und wird von Mama in flagranti überrascht...
    Ich kann nicht einschlafen. Wenn das herbeigeholte Nachtmahl (wie immer von Lutter & Wegner) unter Lärm und Gelächter verzehrt ist, das letzte Glas Champagner getrunken, wenn es still wird, dann lausche ich. In meinem Bauch fängt es an zu kribbeln. Dann stehe ich auf und gehe barfuß in die Küche, um mir noch Wasser zu holen (an das ich natürlich auch vorm Zubettgehen hätte denken können). Ich stehe vor Schlomos Zimmertür und es zuckt mir in den Fingern, ob ich nicht doch leise die Klinke herunterdrücke, hineinschlüpfe in den dunklen Raum, mich vortaste zu seinem Bett ... Ach, ich bin sicher, dass er mich erwartet, mich will, mit genauso viel Sehnsucht an mich denkt wie ich an ihn.
    Aber dann sehe ich, dass keine einzige Tür, die vom Flur abgeht, fest geschlossen ist – außer seiner. Madame lässt selbst die Schlafzimmertür deutlich spaltbreit offen.
    Ein quälendes Spiel.
    Manchmal werde ich wütend. Er sollte doch wirklich alt genug sein, sich über so etwas hinwegzusetzen ... Ich? Na ja, ich bin erst siebzehn.
    Lange geht das nicht mehr so weiter.
    Wenn ich denn endlich eingeschlafen bin, träume ich oft von meinem Vater. Diese Träume, in denen ich noch ein Kind bin und mit ihm Hand in Hand gehe – wohin auch immer ...
    Und morgens, manchmal, das Ziehen in der Brust. Dann weiß ich, dass da noch andere Träume gewesen sein müssen. Dann fällt mir ein, weshalb ich mich einmal aufgemacht habe, um bei den Laskarows zu sein. Das Zeichen.
    Isabelle ruft mich.

27
    Vorgesetzte Behörde an Subj.te 125–350 mit Weisungscharakter. Streng vertraulich
     
    Übereinstimmenden Berichten aus den Vorstadtbezirken so wie aus Mitte, Wedding, Moabit, Neukölln und Prenzlauer Berg zufolge hat sich die Stimmung unter der Bevölkerung in den letzten vierzehn Tagen radikal verschlechtert. Grund: Arbeitslose und ihre Familien, die den Sommer und den Frühherbst über in ihren Gartenlauben gelebt und sich von angebauten Naturalien leidlich versorgen konnten, sind aufgrund der kalten Witterung in die Stadt zurückgekehrt. Da kaum Vorräte angelegt werden konnten (zu kleine Gartenfl ächen), ist die Versorgungslage der Betreffenden kritisch. Es kam erneut zu Plünderungen von Lebensmittelgeschäften, die häufi g dank lobenswerter interner Arbeit auf »spezielle« Läden gelenkt werden konnten.
    Herumlungernde Unzufriedene bevölkern in zunehmendem Maße das Straßenbild. Es kommt zu tätlichen Übergriffen auch gegen Vertreter der Staatsgewalt. Es sind revoltenähnliche Zustände zu befürchten. An oben genannte Subjekte ergeht dringende Anweisung, der Unzufriedenheit ein Ventil zu schaffen und entsprechende Aktionen im Bereich des Viertels um die Grenadier- und Dragonerstr. vorzubereiten.
    Polizeieinheiten werden sich zum kurzfristig festzulegenden Zeitpunkt nicht in der Nähe des Terrains aufhalten. (Zuvor sind Demonstrationen von Stärke und Präsenz durchaus angezeigt; s. revoltenähnliche Zustände.)
    Diese Anweisung ist nach Erhalt und Studium zu vernichten.
    Alle anderen Aktionen erfolgen aufgrund mündlicher Absprache.
     
    Was für ein scheußlicher Oktober. Neblig ist es und die Luft riecht nach dem Rauch der Öfen. Man muss heizen. Wenn Leonie morgens unterwegs ist zur U-Bahn, um zum Hotel Oberländer zu fahren, steht ihr Atem als weißer Hauch vor ihr in der Luft, und sie muss die Hände in die Manteltaschen stecken.
    Wenn sie am feinen Spittelmarkt einsteigt, unterm Alexander- platz durchfährt und dann am Schönhauser Tor herauskommt, um ins Scheunenviertel zu gehen, ist sie meist so in Gedanken, dass sie gar nicht wahrnimmt und nicht darauf achtet, was sich auf der Straße abspielt. Sie eilt ihren

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