Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1
auf den Tisch schlägt!«
Lasker nickt. Wem sagt der Mann das. »Und? Können Sie mir Hoffnung machen?«, fragt er mit einem gequälten Lächeln.
Der Buchhalter gibt ihm den Schriftsatz mit einem müden Lächeln zurück. »Leider nein, Herr Lasker. Wir sind komplett. Aber ich wünsche Ihnen alles Glück. Sicher klappt es irgendwo in nächster Zeit.«
Nichts als dummes Geschwätz! Er beißt die Zähne zusammen.
Eigentlich reicht es. Einen Augenblick schwankt er, ob er sich wirklich noch auf die S-Bahn setzen soll oder es für heute genug sein lassen. Aber nun gerade. Wenigstens einen dritten Versuch muss er noch machen. Also auf zur nächsten Etappe. Er hat sich ein Restaurant in Wilmersdorf ausgesucht, in der Nähe des Grunewalds.
Die nette Ausfl ugsgaststätte – das erfuhr er von einem seiner Kriegskameraden – hat gerade ihren Koch gefeuert, der nach Feierabend allzu viel Reste mitgehen ließ. Das ist doch eine echte Chance. Und tatsächlich, als er ankommt, steht da eine Tafel: »Aus betrieblichen Gründen heute nur Bockwurst und Salat sowie ff. Schmalzstullen eigener Herstellung!«
Das Lokal macht einen guten Eindruck. Große Kastanienbäume im kiesbestreuten Biergarten, das Holz der Klappstühle draußen ist nicht verwittert, sondern frisch grün gestrichen. Die Fenster sind geputzt, die Abfalltonnen diskret hinter einer Hecke versteckt.
Harald betritt das Restaurant mit Schwung und identifi ziert mitsicherem Blick den dicken verdrießlichen Mann hinterm Tresen, der die Gläser spült, als den Wirt.
»Sie wünschen?«
»Ich bin derjenige, der Ihnen wieder zu einer gediegenen warmen Küche verhilft!«, sagt er forsch und zieht den Hut. »Ich bin Ihr neuer Koch!«
Der Verdrießliche sendet ihm einen langen prüfenden Blick, der zu sagen scheint: Feiner Pinkel! Aber Lasker lässt sich nicht abschrecken. Er holt seine Unterlagen vor. »Bitte sehr – meine Bewerbung. Mehr Referenzen kann ich nachreichen.«
»Hm.« Der Wirt trocknet sich die Hände an der Schürze ab. Sein Hemdkragen steht offen. »Woher wissen’se denn ...«
»Kameraden aus meinem – Verein haben mich darauf hingewiesen.«
»Verein? Wat’n für’n Verein? Aber – na jut.«
Der Mann kommt hinterm Tresen vor, setzt sich an den Tisch, bietet Harald einen Platz an und ruft nach hinten: »Milli, kannste mal zwei Klare machen?«
»Für mich nicht!«, wehrt Lasker ab.
»Na dann. Milli, lass jut sein. Wir brauchen nüscht.« Er beginnt, die Unterlagen durchzublättern. Es herrscht Schweigen. Irgendwo dahinten klappert »Milli« mit dem Geschirr. Lasker hält den Atem an.
Der Wirt murmelt: »Mit Auszeichnung ... Nach Abschluss der Lehre zwei Monate im Savoy ... Chef de la cuisine im ... «
Und dann schüttelt er den Kopf. Sehr nachdrücklich. »Mann Jottes, Sie sind hier völlig falsch am Platz. Sie sind ja so ’ne Art Heldentenor der Küche, oder? Wat wollen’se hier denn kochen? Fasan mit Teltower Rübchen oder Kaviar uff Kartoffelbrei?«
Harald Lasker ist heiß geworden. »Ich kann auch einfacher kochen, gutbürgerlich!«, sagt er mit gequältem Lächeln. »Kein Problem!«
»Aber ick kann Sie nich bezahlen«, entgegnet der Wirt stur. »Da werden wir uns bestimmt einig!«
Der Dicke sieht ihn von unten herauf an. »So wat mach ick nichtmit«, sagt er ruhig. »Tut mir leid, Mann. Rennen ja jenug arbeitslose Küchenbullen herum. Bei Ihnen – ick weeß ja nicht mal, ob meine Jäste det essen wollen, wat Sie da so zaubern.«
Harald Lasker nimmt seine Unterlagen an sich; er reißt sie dem Kerl fast aus der Hand. Mit Mühe zügelt er sich. »Vergessen Sie, was Sie da gelesen haben!«, sagt er beherrscht. »Lassen Sie mich einfach an Ihre Töpfe und Pfannen. Oder wenn Ihnen das nicht passt – ich muss nicht Chefkoch sein. Ich übernehme auch ein Res sort. Das Gemüse oder ... «
Er bricht ab. Der Wirt hat angefangen zu lachen. »Ressort! Bei uns jibt’s eenen, der kocht, eenen, der ihm zur Hand jeht, und eenen, der den Dreck wegmacht. So ist dat. Also – schönen Tag noch.«
Lasker weiß nicht, wie er aus dem Gastraum herausgekommen ist. Nun stolpert er über die nasse Straße.
Alles umsonst heute.
Am S-Bahnhof Grunewald hat jemand an die Wand im Tunnel geschrieben: »Die Juden sind unser Unglück!«
Nein, ein Jude war dieser Mann nicht. Der ausnahmsweise nicht.
Was für ein Tag. Wenn man nicht ganz und gar verzweifeln will, und wenn zu Haus niemand ist, mit dem man reden kann, dann gibt es da nur eins ...
In
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