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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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könnte ein Anfang sein. –
    Gegen Abend kommt sie in Berlin an.
    Regen, nichts als Regen. Auf Regen war sie nicht vorbereitet. Nicht einmal einen Schirm hat sie mitgenommen auf diese Reise. Es ging ja in den sonnigen Süden, und beim Packen denkt man höchstens an einen warmen Pullover für abends, aber nicht an das, was einen bei der Rückkehr erwartet ...
    Leonie schleppt ihren Koffer vom Bahnhof Friedrichstraße zur U-Bahn. Ein Taxi wäre jetzt schön. Aber an so etwas sollte man lieber gar nicht erst denken.
    Wie viel Polizei es hier gibt! An jeder zweiten Ecke ein Schutzmann. In Cerbère hat sie nicht eine Uniform gesehen, außer die der Zollbeamten auf dem Bahnhof Port Bou. Und was für grimmige Mienen diese Schupos machen! Keiner lächelt.
    Und dann die Gesichter der Leute, die an ihr vorbeihasten: müde, gleichgültig. Haben einen harten Arbeitstag hinter sich, wenn sie denn Arbeit haben. Alles riecht nach Mief und Nässe. Es macht keinen Spaß, wieder in Berlin zu sein, weil hier keiner Spaß am Leben hat.
    An der Straßenecke gleich neben der U-Bahn, unter einem Sims als Regenschutz, sitzt eine Frau, eingehüllt in eine alte Steppdecke. Sie hält ein schlafendes Kind im Arm. Um den Hals trägt sie ein Schild: Wir haben Hunger!
    Leonie muss schnell wegsehen. Sie schämt sich. Wenn sie daran denkt, wie üppig sie gespeist hat in den letzten Tagen, ohne Einschränkungen...
    Auf dem Weg von der Station in ihre Straße – zum Glück ist es nicht weit – überholt sie mit knatterndem Motor ein Dreirad-Lieferwagen und fährt so dicht an ihr vorbei, dass sie von oben bisunten nass gespritzt wird. Sie hat das Gefühl, dass der Fahrer es mit Absicht getan hat.
    Als sie endlich vor der Haustür steht und den Schlüsselbund aus ihrer Tasche hervorkramt, sind ihre schönen Spangenschuhe schon völlig durchweicht. Das dauert ewig, bis die wieder trocken sind.
    Sie geht über den Hof. Der Putz fällt von den Wänden, es stinkt nach Müll, und im Treppenhaus des Seitengebäudes, wo sie die drei Stiegen hochsteigt, ist wohl das letzte Mal vor zehn Jahren der Anstrich erneuert worden. Ein paar Scheiben sind kaputt. Das Regenwasser sammelt sich unter den Fensterbrettern auf dem Boden. Jemand hat mit Kreide an die Wand geschmiert: Luise geht mit Max...
    Wie schäbig das alles ist! Man darf nicht zurückdenken an Hermeneau.
    Erst als sie den Schlüssel ins Schloss steckt und sich anschickt, die Wohnungstür zu öffnen, fällt ihr ein, dass sie sich ja gar keine Ausrede überlegt hat, wieso sie schon nach ein paar Tagen wieder da ist; die ganze Zeit war sie damit beschäftigt, darüber nachzudenken, wie und was sie dem Vater von ihrer »Mission« erzählen kann.
    Vielleicht ist er nach den Tagen, in denen sie fort war, nicht mehr so reizbar, und sie kann mit ihm reden.
    Als sie die Tür aufstößt, fliegt ihr als Erstes mit gellendem Kreischen Lora entgegen und setzt sich auf ihre Schulter.
    Lora liebt sie.
    Sie setzt den schweren Koffer ab, und während Lora verzückt den Kopf an ihrer Wange reibt und versucht, mit dem Schnabel, vorsichtig und zart wie ein Hauch, ihre Wimpern zu »putzen«, sieht sie sich um.
    Im Schlafzimmer brennt Licht. Aus der angelehnten Tür kommt ihr der Vater entgegen – offenbar bereit zum Ausgehen, denn er hat den guten Anzug an und trägt das Eiserne Kreuz an der Brust. Das will heißen, heute ist einer der Abende, an denen er sich mit seinen Kriegskameraden trifft. Das hat sich nicht geändert, natürlich nicht. Der Schlips ist noch nicht gebunden und hängt ihm lose um den Hals.
    »Leonie? Ja, wo kommst du denn her?«
    »Direkt vom Bahnhof«, sagt sie so unbefangen wie möglich, und ungeachtet dessen, dass sie nass ist wie eine Wassermaus und er sich fein gemacht hat, schließt er sie in seine Arme und drückt sie an sich.
    »Schön, dass du wieder hier bist!«, sagt er. Seine Augen leuchten vor Freude. »Ja, Papa!«, entgegnet sie leise und erwidert seine Küsse – auf Wangen, Stirn, Kinn und Nase.
    »Aber«, sagt er und runzelt die Brauen. »Aber wieso jetzt schon? Du bist doch gerade erst ein paar Tage fort ... und die lange Reise...«
    »Mir kommt es vor wie eine Ewigkeit!«, erwidert sie ausweichend.
    »Ist etwas passiert?«, fragt er beunruhigt. »Gab es Streit bei den Verwandten? Hattest du Schwierigkeiten in Frankreich, weil du eine Deutsche bist?«
    »Nein«, sagt sie. »Überhaupt nicht.« Und dann fällt ihr das Nächstliegende ein: »Ich hatte bloß solches Heimweh.« Und in dem

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