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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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weites schwarzes Cape mit weißem Seidenschal, keinen Hut. Sein Haar bewegt sich im Wind, als wenn es lebendig wäre; er sieht umwerfend aus. Lächelt sie an, küsst sie auf dieWange. Packt sie dann am Ellenbogen und führt sie quer über den Damm in eine Seitenstraße, wo es nicht mehr ganz so turbulent zugeht.
    Leonie sieht vereinzelt farbige Laternen über den Eingängen der Lokale. Ein Auto fährt vorbei, hält vor einer dieser breiten Türen. Die Frau, die aussteigt, trägt einen schweren, beinah bodenlangen Pelz. Ihre Schuhe sind mit Rosetten in Gold besetzt. Der Mann, der ihr folgt, hält seinen Zylinder in der Hand. Ein livrierter Türsteher eilt ihnen befl issen entgegen, geleitet sie nach drinnen.
    »Das ist nichts für uns«, sagt Schlomo. »Das ist für die mit dem großen Zaster – in Dollars, versteht sich. Ich nehme es lieber eine Klasse darunter, wo ich mich wohlfühle.« Er steuert Leonie über die Straße auf eine andere Tür zu, drückt die Klinke.
    Für »eine Klasse darunter«, findet Leonie, ist es wahrhaftig nobel genug. Ein Vestibül in Gold und Rot, ebenfalls ein Türsteher mit Tressen am Rock und an den Händen weiße Baumwollhandschuhe. Und man ist bekannt!
    »Herr Laskarow! Schön, dass Sie uns heute beehren! Darf ich Ihnen beim Ablegen behilfl ich sein – und Ihnen auch, gnädiges Fräulein? Ich führe Sie dann sofort zum Tisch.«
    Umhang und Mantel verschwinden irgendwohin und der Mann in Livree öffnet die Tür nach drinnen.
    Leonie bleibt unwillkürlich stehen. Das da vor ihr erschlägt sie. Der Raum ist ringsum leicht abgedunkelt, die Lampen an den Tischen haben purpurrote oder orangefarbene Schirme. Silberne Kugeln wie riesiger Weihnachtsschmuck drehen sich glitzernd an der Decke, zusammen mit einem Ventilator, der die Rauchschwaden verteilt. Es ist heiß, und es ist laut. Mit dem Stimmengewirr, dem Gläserklirren und Gelächter mischt sich der Ton eines einzigen Saxophons. Der bärtige Spieler hat die Augen geschlossen und scheint ganz für sich zu sein. Die beiden anderen Musiker – ein Schlagzeuger und ein Pianist, wie Leonie bemerkt – machen Pause und rauchen im Hintergrund. Die Tanzfl äche in der Mitte – leer im Augenblick und lackschwarz im gleißenden Licht, das nur auf diesen Punkt im Raum konzentriert ist.
    Schlomo hat ihren Arm unter den seinen gezogen und leitet sie, im Kielwasser des Mannes aus dem Vestibül, zu einem Tisch direkt an der Tanzfl äche, von dem er ein »Reserviert«-Schild entfernt. Im Nu ist ein Kellner im Frack zur Stelle, die Serviette überm Arm. »Herr Laskarow – gnädiges Fräulein! Guten Abend. Was darf ich bringen? Champagner, wie immer?«
    »Wasser«, sagt Leonie, und der Ober verzieht sein glatt rasiertes, blasses Gesicht zu einem Lachen. »Wasser? Köstlich. Gnä’ Fräulein belieben zu scherzen.«
    »Wasser!«, wiederholt Schlomo bestimmt. Dann beugt er sich vor und spricht leise mit dem anderen, und der nickt devot.
    Sie sitzen sich gegenüber und sagen nichts. Wie’s aussieht, wartet Schlomo auf eine Reaktion von Leonie. Dass sie staunt, vielleicht. Sich wundert, wie weltläufi g das hier ist. Aber sie weiß nicht, was sie sagen soll. Sie fühlt sich benommen. Fragt sich, warum sie überhaupt mitgegangen ist. (»Man muss Leonie aufmuntern...«)
    Der Kellner kommt mit einer Karaffe Wasser, einem kleinen Kübel mit Eiswürfeln und einer Silberzange, Gläsern und außerdem ei nem bauchigen Krüglein mit einer giftgrünen Flüssigkeit und an deren ge schliffenen Gefäßen, winziger als Eierbecher. Schlomo gießt das grüne Zeug ein und reicht Leonie eins der Gefäße. »Trink!«, kommandiert er.
    »Was ist das?«
    »Egal. Trink einfach. Danach kannst du dich am Wasser schadlos halten, wenn du willst.«
    Sie schließt die Augen und kippt das Zeug hinunter. Es schmeckt süß und bitter zugleich und brennt so in der Kehle, dass sie sich mit beiden Händen an den Hals greift. »Willst du mich vergiften?«, keucht sie, als sie wieder Luft bekommt.
    Er beobachtet sie ernst. »Bestimmt nicht.«
    Das Zeug scheint sich wie Feuer durch ihren Körper zu verbreiten. Es kommt ihr auf einmal vor, als sei sie doppelt so wach wie vorher. Die Farben, die Geräusche, sogar die Gerüche – alles ist intensiver.
    »Wieso wirkt das ...«, will sie anheben, aber in diesem Augenblick ist die Tanzpause vorbei, die kleine Band (Klavier, Schlagzeug, Sax) beginnt einen Foxtrott.
    »Komm tanzen!«, befi ehlt Schlomo.
    Er zieht sie auf die Tanzfl äche; sie sind

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