Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1
Herzschlag unterhalb der Kehle, zwischen den Schlüsselbeinen.
»Das ist nicht dein Ernst.«
»Du ahnst gar nicht, wie sehr das mein Ernst ist.«
»Aber – warum? Nach dem allen hier ...«
»Gerade nach dem allen hier. Es ist ... ein bisschen viel. Zu viel, fürchte ich.«
Sie starrt ihn an. Fassungslos. »Was ist das für ein Spiel, Schlomo Laskarow?«
»Kein Spiel. Überhaupt kein Spiel. Es tut mir leid. Bitte versteh mich.« Er ist wie verwandelt, beherrscht und angespannt. »Überhaupt nichts verstehe ich«, sagt sie, und die Tränen derEnttäuschung schießen ihr in die Augen. Er kaut auf seiner Lippe herum, hat die Zange aus dem Kübel mit dem schmelzenden Eis genommen und schlägt sich selbst damit auf die Finger.
»Ihr Mantel, gnädiges Fräulein. Das Taxi wartet.«
»Und du?«
»Ich bleibe noch.«
Er küsst ihr sanft die Hand, als hätte er nicht wenige Minuten zuvor mit ihr auf der Tanzfl äche den glühendsten Liebes- und Werbetanz ausgeführt.
Leonie fi ndet kaum den Weg zum Ausgang.
Nach der nächtlichen Verzweifl ung zu Haus und dem nass geheulten Kissen wache ich mit Kopfschmerzen auf (das grüne Gesöff!) und versuche den Tag über das, was da passiert ist, irgendwie auf die Reihe zu kriegen.
Ich stelle fest: Das war also wohl ein Experiment. Das Experiment: Schafft man es, »Leonie aufzumuntern«?
Aber andererseits – so etwas geht doch gar nicht. Seine Zärtlichkeit, sein Temperament, seine Fürsorge und seine erwachende Leidenschaft ... sein Begehren, das ich gespürt habe!
Nun ja. Vielleicht kann ein guter Komödiant das alles vorspiegeln, sich selbst und anderen. –
Er bringt es tatsächlich fertig, mir nach diesem Abend aus dem Weg zu gehen! In den nächsten Tagen ist er höfl ich und zerstreut, wenn wir uns – nur im Beisein der anderen, versteht sich! – begegnen. Redet mit mir nur das Nötigste. Es ist nicht zum Aushalten.
Am dritten Tag stelle ich ihn in der Garderobe vor der Vorstellung, zu einem Zeitpunkt, wo ich weiß, dass sein Vater bereits in Kostüm und Maske ist und die Bühne inspiziert.
Er ist beim Schminken.
Als ich eintrete und die Tür hinter mir zumache, lässt er den Pinsel sinken und legt ihn ab, ohne hinzugucken. Neben den Tisch. Das Ding fällt zu Boden. Er achtet nicht drauf, sieht mich im Spiegel an.
»Schlechter Zeitpunkt«, sagt er. »Ich brauch gerade eine ruhige Hand, um die Augen zu malen.«
»Ich bin gleich wieder weg«, entgegne ich und gebe mir Mühe, dass meine Stimme normal klingt. »Ich wollte bloß wissen, ob du noch einen schönen Abend hattest. Am Samstag, mit einer anderen Tanzpartnerin.«
»Ich hab nur das Wasser ausgetrunken«, sagt er. »Dann bin ich nach Haus gegangen. Zu Fuß, um mich abzukühlen.«
»Wunderbar!«, erwidere ich ironisch. »Und was ist der Grund, dass du mich nun nicht mehr anguckst?«
»Tja«, sagt er und zerrt mit den Zähnen an der Unterlippe. »Weil ich dich vielleicht vorher zu lange und zu oft angeguckt habe. Und weil mir an dem Abend was klar geworden ist.« Er greift sich einen anderen Pinsel und beginnt, seine Augen dunkel zu umranden (als wenn das nötig wäre), vertut sich aber und zieht einen viel zu dicken Lidstrich bis zur Schläfe. Leise fluchend nimmt er ein Tuch, wobei ihm Puderquaste und Schminke nun ebenfalls herunterfallen, und wischt den dicken Strich wieder weg.
»Ich wüsste schon gern, was das heißt«, sage ich und mache keinerlei Anstalten, mich nach all dem zu bücken, was da schon am Bo den herumliegt.
»Das soll heißen ...« Er redet nicht weiter.
» Was soll das heißen?«
»Soll heißen, Mädchen, dass ich vielleicht nicht bin, was du denkst.«
»So? Was denke ich denn?«, frage ich. Zorn und Traurigkeit schnüren mir die Kehle zu.
Er beginnt, bräunliche Schatten auf seine Wangenknochen aufzutragen. »Dass mir die Puppchen nachlaufen, das heißt nicht, dass ich ein solcher Hallodri bin und mir einen Spaß mache auf Kosten der Frauen. Vor allem nicht, wenn mir was an ihnen liegt.«
»Und das in der Küche? Was war das? Und das im Tanzlokal?«
»Das ist es ja gerade. Es ist so über mich gekommen, wie einen eine Windbö packt und durchschüttelt. Du bist für mich ...« Wieder bricht er ab. »Ich hab nicht nachgedacht da!«, sagt er und wirftsein Schminkzeug wütend auf den Tisch. »Aber dann hab ich nachgedacht. So wie es aussieht zwischen unseren Eltern – wir sollten es lassen, Leonie. Glaub mir. Denk an Romeo und Julia. Als ich das da in der Küche gesagt
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