Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
Bad?«
»Das Bad?« Jeannie schaut erschrocken. Sie haut sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Mist, das haben wir total vergessen.«
Dann lacht sie schrill und haut mir auf die Schulter, als hätte sie einen besonders guten Witz gemacht. Sie räuspert sich, ihre Brust schwillt vor Stolz.
»Wir haben im Holzplatz ein ganz besonderes Einrichtungskonzept: die Echtholz-Beauty-Suite.« Sie öffnet den Riesenschrank. Darin stehen eine Dusche, ein Waschbecken und ein Klo.
Vor Staunen bricht es einfach aus mir heraus: »Wir sollen in den Schrank kacken?«
Anne macht mit der Rechten die Reißverschlussgeste vor ihrem Mund und deutet auf Leonie, die vom Bett gekrabbelt ist und nun ebenfalls in der Schranktür steht.
»Kacken«, plappert die Kleine stolz nach.
Aber was hätte ich denn sonst sagen sollen? »Ein Geschäft verrichten« klingt nach Börsengang, »auf Toilette gehen« bezeichnet nur den Weg dorthin, und Euphemismen wie »Bächlein« und »Häuflein« vermitteln einen völlig falschen Eindruck von der stinkenden Wahrheit.
Anne schaut Leonie ernst in die Augen. »Caspar meint: ein Konzert machen.«
Leonie nickt. Ich auch. Offenbar bestimmen die Kinder heutzutage, was die Eltern sagen dürfen, und nicht umgekehrt.
»Haben Sie nicht ein Zimmer mit einem richtigen Bad? Mit Belüftung und einer echten Tür?«
Jeannie klopft stolz auf das Holz. Klingt metallisch.
»Lärmschutztür«, versichert sie. »Da kommt kein Ton durch.« Sie überlegt, als müsste sie ihre Gedanken erst in den Gästejargon übersetzen: »Auch nicht bei großen Konzerten.«
Ist das unangenehm.
Anne nickt zustimmend und wendet sich wieder an Leonie. »Der Caspar ist bestimmt ein richtiger Konzertmeister. Ich meine, der Papa.«
Wenn Leonie jemals Respekt vor ihrem erfundenen Vater hatte, so hat sie ihn jetzt verloren. Aber die Kleine beachtet mich gar nicht. In der Hand hält sie einen gepolsterten ovalen Klodeckel in Quietschrot.
Anne klatscht erfreut in die Hände. »Was hast du denn da geholt, meine Süße? Willst du jetzt ein großes Konzert geben?«
Jeannie setzt ein liberales Lächeln auf und geht zur Zimmertür, wo sie sich in die Brandschutzverordnung vertieft. Ich dagegen schaue blöd aus der Wäsche.
»Willst du sie etwa jetzt stubenrein machen?«, wispere ich.
Anne wirft mir einen bösen Schulterblick zu. »Windelfrei heißt das, nicht stubenrein. Leonie ist doch kein Tier.«
Sie legt den Toilettenaufsatz auf die Klobrille.
»Leonie geht noch nicht so gern aufs Töpfchen«, erklärt sie, während sie ihrer Tochter erst die Schuhe auszieht, dann die Hose und zuletzt die Windel. »Das müssen wir noch üben. Auch mit dem Toilettenaufsatz hat es bisher noch nicht so gut funktioniert, aber wenn sie ihn jetzt schon selbst holt …«
Sie öffnet Leonies Baumwollbody, klappt ihn nach oben und knöpft ihn über der linken Schulter wieder zusammen. Dann hebt sie Leonie auf die Schüssel und hockt sich davor. Was wird denn das jetzt?
»Jetzt drücken, Kleine, das kannst du! Komm schon, drücken, mmmm.« Anne steigert sich richtig hinein, kriegt selbst einen ganz roten Kopf. Ich schaue sie ebenso fasziniert an wie Leonie. Nie hätte ich gedacht, dass ich eines Tages mit unserer Frauenbeauftragten in einem Schrank hocken und ihr dabei zuschauen werde, wie sie ihrer Tochter das Kacken beibringt.
Nichts wie weg.
Mittlerweile bewundert Jeannie auch die Check-out-Zeiten im Eingang so interessiert, als sähe sie die zum ersten Mal. Als ich mich neben sie stelle, lächelt sie mich an.
»Erlauben Sie mir bitte eine Bemerkung. Sie haben wirklich eine bezaubernde Familie. Wer so viel Intimität miteinander teilt, muss überglücklich sein«, schmeichelt sie.
Ich ziehe einen Zwanziger aus meinem Portemonnaie und schmiere Jeannie aus dem Zimmer. Bevor sie die Tür schließt, fällt ihr noch etwas ein: »Ach ja, Frau Sommer begrüßt am Anreisetag ausgewählte Gäste persönlich zum Dinner. Ich stelle die Tischordnung zusammen.« Jeannie hält den Zwanziger hoch. »Sie haben sich gerade einen Platz erkauft.«
Auch das noch! Eigentlich wollte ich mich erst mal ein bisschen erholen, bevor ich in die Schlacht ziehe.
»Vielen Dank, das ist echt super«, heuchle ich und schließe schnell die Tür.
Anne findet es »höchst verdächtig«, dass die Hoteldirektorin uns an ihren Tisch bittet. Natürlich verschweige ich ihr meinen unglücklichen Bestechungsversuch. Nachdem sie Leonie in eine frische Windel gesteckt hat, packt sie die
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