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Dreibettzimmer: Roman (German Edition)

Dreibettzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Dreibettzimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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den seine ihn verfolgende Ehefrau zu Tode gehetzt hat, als er sich davonmachen wollte. Hätte er geahnt, dass er fünftausenddreihundert Jahre nach seinem Tod zur wohl hässlichsten Werbeikone der Gegenwart avanciert, er wäre wahrscheinlich einfach daheim geblieben und hätte sich noch eine Pulle Beerenwein hinter die Augenbinde gekippt.
    »Woran denkst du?«, will Anne wissen. Ich finde, dass diese Frage in unserer jungen und dazu noch fingierten Beziehung zu früh fällt.
    »Nackte Weiber«, lüge ich.
    Anne schaut mich voller Verachtung an. Sie hebt die schlafende Leonie aus dem Wagen, ich nehme eine Zigarette aus der Packung. Die habe ich mir nach dieser Höllentour echt verdient.
    Auf dem Parkplatz vor dem Hotel parkt der blaue Touran. Ich erkenne ihn am »Immer Fröhlich bleiben«-Aufkleber. Hinter dem Parkplatz liegt ein riesiger, beleuchteter Sandkasten mit Spielgeräten darin – wahrscheinlich der Treffpunkt hilfloser Eltern, deren Kinder nicht aufhören wollen zu schreien, bis sie endlich auf der Schaukel sitzen.
    An der gläsernen Eingangstür des Hotels prangt ein großes Schild mit einer durchgestrichenen Zigarette. War ja klar.
    Anne deutet mit dem Kopf dorthin. »Es wäre toll, wenn du während unserer Dienstreise nicht rauchen würdest. Mir ist es ja egal, ob du Lungenkrebs riskierst, aber du gefährdest Leonie mit jeder Zigarette.«
    Offenbar besteht wirklich ein Großteil der Gespräche von Paaren aus Kritik am anderen.
    Ich ziehe noch einmal und schnippe die Kippe in die Dunkelheit. Anne reicht mir ein desinfizierendes Feuchttuch, mit dem ich mir die Finger abwischen soll, bevor ich Leonie anfasse. Dabei habe ich das gar nicht vor. Ist schließlich ihre Tochter.
    Anne weckt Leonie, stellt sie auf die Beine, und wir betreten das Familienhotel »Zum Wilden Mannle«.
    Die elektrischen Doppeltüren des gläsernen Windfangs erinnern an die Schutzvorrichtungen in Hochsicherheitsgefängnissen. Das Hotel sieht gar nicht so schlimm aus, wie ich erwartet hatte: Im kuscheligen Empfangsbereich aus hellem Holz mit Pflanzen ohne Stacheln gibt es Sitzgelegenheiten in allen Größen. Die Lesezirkelcover der Zeitschriften überdecken jede Blöße. Auf einem Tisch liegen Kinderbücher und Spielzeug, an den Wänden hängen Gemälde und Tierposter. Mir fällt ein Plakat mit einem Urzeitmenschen auf: Nächstes Wochenende soll hier der erste »Ötzi-Paleo-Cup« steigen. Von mir aus. Ich habe andere Sorgen.
    »Willkommen im ›Wilden Mannle‹«, begrüßt uns die Empfangsdame so überschwänglich, als wollte sie uns in eine Falle locken. Leonie, die Annes Hand seit dem Aussteigen nicht mehr losgelassen hat, greift nun auch nach meiner. Bei der ungewollten Berührung zucke ich zusammen. Noch nie habe ich eine Kinderhand gehalten: eine klebrige, weiche, kleine Kekshand. Muss mir vielleicht echt noch die Hände waschen. Hinterher.
    »Leonie keine Angst«, raunt die Kleine und mustert die Empfangsdame skeptisch. Auf deren Namensschild steht »Jeannie«.
    »Wie war Ihre Anreise?«, will sie wissen.
    »Gut«, antwortet Leonie mit kindlichem Ernst.
    »Darf ich Ihnen einen kleinen Begrüßungscocktail anbieten?« Jeannie deutet auf ein Tischchen gegenüber dem Empfangstresen. Dort steht eine Sektflasche in einem metallenen Kühler, davor einige Gläser mit orange schimmernder Flüssigkeit. Anne lehnt ab. Ich dagegen kann einen Aperol-Sprizz gut gebrauchen. Wenn ich schon nicht rauchen darf, sollte ich wenigstens trinken.
    Ich greife mir ein Glas und leere es in einem Zug. Ein widerlicher Erdbeer-Orange-Geschmack zerlegt meine Geschmacksnerven und hinterlässt das Gefühl, ich hätte die flüssigen Vorstufen sämtlicher Hubba-Bubba-Sorten auf einmal im Mund, inklusive der neuen Sorte Hustensaft-Koriander.
    Was ist denn das für ein Gesöff? Ich ziehe die Flasche aus dem Kühler: Robbybobbys Blubberspaß.
    Ich hätte es wissen müssen. Aus Frust halte ich mir die Nase zu und kippe noch ein Glas.
    »Möchten Sie dazu vielleicht noch ein paar Gummimannle?«, fragt Jeannie und hält mir eine Schale mit kleinen silbrig schimmernden Tütchen hin. Kondome? Seltsame Werbemaßnahme für ein Familienhotel. Jeannie sieht meinen ratlosen Blick und reißt ein Tütchen auf. Darin stecken lauter kleine Gummibärchen, deren Form mit viel gutem Willen an das irre Männchen auf dem Hotelschild erinnert. Ich stecke mir eines in den Mund, um den Geschmack vom Kindersekt zu übertünchen.
    »Die Kleine auch?«, will Jeannie wissen. Aber Anne

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