Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
›Familienglück‹ – offenbar eine Art ungarische Quarkspeise.«
Ich seufze. In der Tat bin ich gerade ganz dankbar, hier mit Anne und Leonie zu sitzen. Ist fast so gut, wie sich mit Schnaps unter den Tisch zu saufen. Und das »Familienglück« schmeckt gar nicht mal so schlecht. Anne stellt auch Leonie eine Schüssel hin.
»Ausnahmsweise!«, erklärt sie fest. »Damit sich Mama und Caspar unterhalten können.« Sie füttert Leonie mit dem ersten Löffel. Leonie sperrt den Mund auf wie ein kleiner Vogel, verschlingt das »Familienglück« mit einem Happen und zeigt ihrer Mutter grinsend die Milchzähne.
»Danke, Papa.«
Anne schaut mich überrascht an. »Hast du das gehört?«
Ich nicke abwesend und schaue zu Adoré hinüber. Die scheint meinen Blick zu spüren, denn sie dreht sich kurz zu mir um, mustert mich und wendet sich wieder ihrer Chefin zu.
»Wie war denn dein Spaziergang?«, will Anne wissen. »Hast du mehr über das Hotel erfahren? Oder über die Liebe?«
Lässt die denn nie locker? Leider bin ich zu schwach, um zu lügen. Also sage ich nur: »Es ist vorbei.«
Anne wirkt nicht überrascht. Sie schaut zu Adoré hinüber. »Glücklich sieht sie aber nicht aus.«
»Da haben wir etwas gemeinsam.«
»Du musst um sie kämpfen.«
»Ich muss schon um diesen Bubsi kämpfen.«
»Ich meine es ernst.«
»Das hat keinen Sinn. Sie denkt, ich bin verheiratet.«
Anne nickt und überlegt. »Wir machen sie eifersüchtig.«
Ich stutze. Was meint sie denn mit wir ? Außerdem wäre das sicherlich die falsche Taktik.
Doch Anne grinst nur. »Überlass das mir. Ich habe etwas mehr Ahnung von Frauen als du. Gerade für solche Modelmädchen gilt: Wenn du sie ignorierst, werden sie ganz verrückt nach dir.«
Wie gern würde ich ihr glauben. Aber gerade ignoriert Adoré eher mich – was mich verrückt macht. Anne taucht ihren Löffel in das »Familienglück«, lädt eine kleine Portion auf und hält ihn mir lockend vor die Nase. Ist sie jetzt völlig verrückt geworden?
Ich weigere mich, den Mund zu öffnen. Habe ja schon davon gehört, dass Zärtlichkeit zwischen Paaren irgendwann zu infantilem Quatsch kippt, aber erstens sind wir kein echtes Paar, und zweitens bin ich kein Baby. Aber Anne bleibt beharrlich. Jetzt fliegt sie mit dem Löffel vor meiner Nase herum und macht dabei: »Brrrrrrrr – Flugzeug will landen. Tower, erbitte Landeerlaubnis.«
Leonie klatscht vor Freude in die Hände. Ich würde das Flugzeug am liebsten mit einer Luft-Boden-Rakete abschießen. Aber leider sind wir hier nicht in Afghanistan.
Leonie schaut ganz verwundert und sperrt ihren Mund vorbildlich weit auf. Dabei macht sie »Aaaaah!« Aber das Flugzeug will diesmal nicht bei ihr landen.
Plötzlich greift Anne mit der linken Hand nach vorn und hält mir die Nase zu. Ich schnappe nach Luft – und drin ist der Löffel.
»Mach mit«, zischt Anne mir zu. »Die hat schon herübergeschaut.«
»Sie denkt, wir hätten ein Kind, da wird ein bisschen Füttern kaum ihre Meinung ändern.«
»Was hast du zu verlieren?«
Jetzt reicht es. Ich lasse mich doch hier nicht für blöd verkaufen. Mal schauen, wie weit Anne bereit ist zu gehen. Als das Flugzeug beim zweiten Mal heranrauscht, greife ich ihr Handgelenk und halte es fest. Anne hält erstaunt inne und sieht mir in die Augen. Darin erkenne ich nicht nur Abneigung.
»Wird das jetzt eine Flugzeugentführung?«, säuselt sie mit einer überraschend weichen Stimme, die ich ihr nach all den Streitereien der vergangenen Tage gar nicht zugetraut hätte. »Dann bin ich ja jetzt völlig in Ihrer Gewalt.«
Ich habe dieses Spiel schon oft genug gespielt. Die ersten Anzeichen weiblicher Verführungskunst bringen mich nicht mehr aus dem Konzept. Meine Finger streichen Annes nackten Unterarm entlang zum Ellbogen und wieder zurück zum Handgelenk. Die kleinen blonden Härchen an Annes Arm stellen sich auf, als sich eine Gänsehaut über ihren Arm zieht. Sie schließt genießerisch die Augen und öffnet sie wieder. Ihr Wimpernschlag verdrängt Adoré tatsächlich für den Bruchteil einer Sekunde aus meinem Kopf. Ist das hier tatsächlich noch meine ökige Emanzenkollegin, mit der ich seit Jahren im Streit liege und in letzter Zeit wenn nicht das Bett, so doch immerhin den Tisch teile?
»Flirtest du mit mir?«, fragt sie leise. In ihrer Stimme liegt mehr Süße als in einer doppelten Portion »Familienglück«. Meine Finger gleiten von ihrem Unterarm über das Handgelenk zu Annes Handteller und
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