Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
Entschuldigung offenbar nur gesagt, dass die Wahrscheinlichkeit, von einem Schaf angefallen zu werden, bei ihnen zu Hause höher sei, als sich in Nordirland eine Kugel einzufangen. Außerdem habe das Schaf sie provoziert. Jedenfalls wollte sich nach dem Zwischenfall kein Tier mehr von ihnen streicheln lassen.
Am frühen Abend gabeln mich Anne und Leonie in der Lobby auf. Ihre Gesichter sind bestens durchblutet, und Leonie gähnt bereits. Mr. Perfect lässt sich entschuldigen. »Er will noch ein paar Geräte testen. Außerdem ist er seit Neuestem auf Diät und möchte von nun an abends nichts mehr essen«, erklärt Anne etwas gequält. Nichts dagegen, aber offenbar haben sie und ich nun jeweils ein Beziehungsproblem.
Während wir essen, musiziert mitten im Raum ein Jazztrio mit Kontrabass, Geige und Oboe. Die Musiker sehen südländisch aus und marschieren lächelnd zu dritt zwischen den Tischen hindurch. Leonie und ein paar andere Kinder laufen ihnen im Sicherheitsabstand von ein paar Metern hinterher. So haben Anne und ich heute schon zum zweiten Mal etwas Privatsphäre.
»Woher kennst du die Pressefrau eigentlich?«, will Anne wissen.
»Vom Studium. Sie war meine erste große Liebe. Hat mich entjungfert. Ist schon lange her, also das vorletzte Mal.«
»Ist sie der Grund dafür, dass du so geworden bist?«
Verdammte weibliche Intuition.
»Dass ich wie geworden bin?«
»Beziehungsphobiker, Frauenhasser und Zukunftsfeind.«
Ich lächle wieder. Anne trinkt einen Schluck Wein. Muss mich zusammenreißen.
Das Trio spielt jetzt eine Jazzversion des Klassikers »Lord of the Dance«. Ich sehe zu den Iren hinüber. Sie sind aufgestanden und klatschen zur Musik in die Hände, so laut, dass Leonie ängstlich zu uns flieht. Ein irischer Vater stellt ein kleines Mädchen im Kleid auf den Tisch, das beim Stepptanzversuch gleich mehrere Gläser durch die Gegend tritt. Ich deute mit dem Kopf zur Direktorin hinüber, die lächelnd aufsteht und die Scherben einsammelt. Aber Anne lässt sich nicht ablenken.
»Wenn sie deine große Liebe ist, muss ich das wissen.«
»Weil sie unseren Auftrag gefährden könnte?«
»Nein. Weil sie dich wieder glücklich machen kann.«
Ich lache spöttisch, als hätte Anne mir gerade erzählt, alle verfeindeten Ethnien dieser Welt müssten bloß gemeinsam in eine riesige Familiensauna gehen – und schon herrsche Weltfrieden.
Seltsamerweise schaffen wir es heute Abend nicht, uns länger als einen Sekundenbruchteil in die Augen zu sehen. Müssen wir auch nicht, denn die Iren fangen nun an, lauthals mitzugrölen. Einige Gäste schauen echauffiert hinüber, ich dagegen bin dankbar für die Ablenkung.
»Schau dir die Iren an. Keine guten Vorbilder, oder? Ob die wohl am Contest teilnehmen?«
»Ja, wie alle unsere Stammgäste«, antwortet die Direktorin, die plötzlich direkt hinter mir steht. Offenbar ist ihr die irische Ausgelassenheit an ihrer Tafelrunde etwas zu viel geworden. »Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit?«
Ich falte die Serviette zusammen und nicke. »Ist wirklich ein ganz tolles Familienhotel. Gibt es eigentlich auch Kurse ausschließlich für Väter?«
Frau Sommer schaut überrascht, dann gewinnt ihr diplomatisches Lächeln die Überhand. »Nein, noch nicht. Aber vielleicht könnten Sie ja einen anbieten? Bei uns ist so viel ausgefallen, dadurch haben wir Platz für Ideen unserer Gäste. Vielleicht so ein richtig männlicher Kurs – Boxen oder Fußball?«
Anne schaut von der Direktorin zu mir und grinst süffisant. »Er kann Karate«, prahlt sie, ganz die stolze Ehefrau. Blöde Kuh.
»Karate?« Frau Sommer scheint gleichzeitig erstaunt und erfreut. »Das ist ja toll!«
»Aber ich habe gar keinen Anzug hier, den müsste ich mir erst aus München schicken lassen …«
Doch Frau Sommer ist bereits Feuer und Flamme. »Super. Sobald er angekommen ist, plane ich Sie ein. Ihrem Punktekonto wird eine Schulung im Bereich Bewegung und Koordination bestimmt den entscheidenden Aufschwung verschaffen.«
Ich stutze. Den Bubsi hatte ich ganz vergessen. Wie bescheuert wäre das denn, wenn ich den tatsächlich gewinnen sollte? Für die Geschichte kriege ich am Ende vielleicht sogar einen richtigen Journalistenpreis. Lust auf Karate habe ich auch. Es hat mich als Kind so ausgepowert, dass ich keine Lust mehr auf Randale hatte. Außerdem lenkt es mich sicher davon ab, wegen Adoré Trübsal zu blasen. So ein bisschen Kampfsport macht sich auch gut in meiner Reportage. Dabei kann ich
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