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Dreifach

Titel: Dreifach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Funker.‹
    Zweifellos würde Rostow sich etwas Raffinierteres ausdenken. Dazu war er schließlich Oberst.
    Die Geschäftigkeit an Deck hatte sich gelegt, die Maschinen der Coparelli standen still. Fünf oder sechs Seeleute drängten sich lachend und lärmend über die Laufplanke und steuerten auf die Stadt zu. Rostow befahl: »Finde heraus, in welchen Pub sie gehen, Nik.« Bunin stieg aus und folgte den Matrosen.
    Tyrin blickte ihm nach. Die ganze Szene hier deprimierte ihn: die Gestalten, die den nassen Betonkai mit hochgeschlagenem Kragen überquerten; die Geräusche von heulenden Schleppern, von Männern, die nautische Anweisungen brüllten, von Ketten, die ein- und abgehievt wurden; die Berge von Strohsäcken; die nackten, anWachtposten erinnernden Kräne; der Geruch nach Maschinenöl, Schiffstauen und salzigem Sprühwasser. All das ließ ihn an seine Moskauer Wohnung denken, den Sessel vor dem Paraffinofen, Pökelfisch und Schwarzbrot, Bier und Wodka im Kühlschrank und einen Abend vor dem Fernsehschirm.
    Er war nicht in der Lage, Rostows nicht zu übersehenden Frohsinn über den Verlauf der Operation zu teilen. Wieder einmal hatten sie keine Ahnung, wo Dickstein sich aufhielt – zwar war er ihnen nicht entwischt, aber sie hatten ihn absichtlich gehen lassen. Es war Rostows Entscheidung gewesen; er hatte befürchtet, Dickstein zu nahe zu kommen, ihn zu verschrecken. »Wir folgen der Coparelli, und Dickstein kommt zu uns«, war Rostows Argument gewesen. Yasif Hassan hatte zwar widersprochen, doch Rostow hatte sich durchgesetzt. Tyrin, der zu solchen strategischen Diskussionen nichts beizusteuern hatte, stimmte zwar mit seinem Chef überein, sah aber keinen Grund, so zuversichtlich zu sein.
    »Als erstes mußt du dich mit der Besatzung anfreunden«, unterbrach Rostow seine Gedanken. »Du bist Funker von Beruf. Auf deinem letzten Schiff, der Christmas Rose, hattest du einen kleineren Unfall – du brachst dir den Arm –, und wurdest hier in Cardiff entlassen, um gesund zu werden. Die Reeder haben dir eine ausgezeichnete Entschädigung gezahlt. Du amüsierst dich, gibst dein Geld aus. Wenn du nichts mehr hast, wirst du dich vielleicht nach einer neuen Heuer umsehen. Du mußt zwei Dinge herausfinden: den Namen des Funkers sowie den Tag, an dem das Schiff in See stechen soll.«
    »Schön«, erwiderte Tyrin, obwohl es alles andere als schön war. Wie sollte er sich nur mit diesen Leuten »anfreunden«? Seiner Meinung nach war er kein großer Schauspieler. Würde er die Rolle des munteren Kumpels spielen müssen? Und wenn die Besatzung ihn für einen Langweiler, einen Einzelgänger hielt, der versuchte, sicheiner fröhlichen Gruppe anzuschließen? Was, wenn sie ihn einfach ablehnten?
    Er zog unbewußt die breiten Schultern hoch. Entweder würde er es schaffen, oder es würde irgendeinen Grund dafür geben, daß es unmöglich war. Er konnte nur versprechen, sein Bestes zu tun.
    Bunin kam über den Kai zurück. »Setz dich nach hinten, Nik soll fahren«, sagte Rostow. Tyrin stieg aus und hielt die Tür für Nik auf. Das Gesicht des jungen Mannes war klatschnaß vom Regen. Er ließ den Motor an, und Tyrin stieg ein.
    Während das Auto sich in Bewegung setzte, drehte Rostow sich zu Tyrin um. »Hier sind hundert Pfund.« Er reichte Tyrin ein Bündel Banknoten. »Geh nicht zu sparsam damit um.«
    Bunin stoppte den Wagen an einer Ecke, gegenüber einer kleinen Hafenkneipe. Auf einem Schild, das sich im Wind bewegte, stand »Brains Beers«. Ein rauchiges, gelbes Licht schimmerte hinter den Milchglasfenstern. An einem Tag wie heute gibt es schlimmere Plätze, dachte Tyrin.
    »Welche Nationalität hat die Besatzung?« fragte er plötzlich. »Es sind Schweden«, sagte Bunin.
    »Welche Sprache soll ich benutzen?« fragte Tyrin. Seine gefälschten Papiere gaben ihn als Österreicher aus.
    »Alle Schweden sprechen englisch«, erläuterte Rostow. Nach kurzem Schweigen fuhr er fort: »Noch Fragen? Ich möchte zu Hassan zurückkehren, bevor er sich irgendwelche Dummheiten einfallen läßt.«
    »Keine Fragen mehr.« Tyrin öffnete den Schlag.
    »Melde dich bei mir, wenn du heute nacht ins Hotel zurückkommst – egal, wie spät es ist.«
    »Klar.«
    »Viel Glück.«
    Tyrin ließ die Wagentür zufallen und ging über die Straße auf den Pub zu. Als er den Eingang erreichte, kam jemandheraus, und der warme Geruch von Bier und Tabak umhüllte Tyrin einen Moment lang. Er trat ein. Es war eine schäbige kleine Kneipe, mit harten

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