Dreifach
Schweden für die freie Liebe sind.« Tyrin sagte das, was ihm gerade einfiel.
»Freie Liebe, ja. Aber ich würde ihr raten, treu zu sein.«
»Aha.«
»Ich kann es dir erklären ...«
Komm schon, Nik. Mach schnell ...
Einer der Matrosen in der Gruppe blieb stehen, um in die Gosse zu urinieren. Die anderen machten derbe Bemerkungen und lachten. Tyrin wünschte, daß der Mannsich beeilen würde – der Zeitpunkt, der Zeitpunkt –, aber es schien eine Ewigkeit zu dauern.
Endlich hörte er auf, und alle setzten sich wieder in Bewegung.
Tyrin hörte Motorengeräusch.
Er erstarrte. »Was ist los?« fragte Lars.
»Nichts.« Tyrin sah die Scheinwerfer. Das Auto kam in der Mitte der Straße stetig auf sie zu. Die Matrosen schoben sich auf den Bürgersteig, um dem Fahrzeug auszuweichen.
Das war doch ganz anders, es konnte nicht gelingen!
Plötzlich wurde Tyrin von Verwirrung und Panik ergriffen – dann konnte er den Umriß des Autos deutlicher ausmachen, als es an einer Straßenlaterne vorbeirollte, und er merkte, daß es nur ein Streifenwagen der Polizei war. Er verschwand in der Dunkelheit, wie er gekommen war.
Die Straße führte auf einen breiten, leeren, schlecht gepflasterten Platz. Es gab keinen Verkehr. Die Matrosen marschierten genau über die Mitte des Platzes.
Jetzt. Komm.
Sie hatten den Platz zur Hälfte überquert.
Komm schon!
Ein Auto bog um eine Ecke und raste mit aufgeblendeten Scheinwerfern auf den Platz. Tyrin packte Lars’ Schulter mit festerem Griff. Das Auto schleuderte wild. »Der Fahrer ist besoffen«, sagte Lars mit schwerer Zunge.
Es war ein Ford Capri. Er raste auf die vordere Gruppe zu. Den Matrosen verging das Lachen, und sie sprangen fluchend zur Seite. Der Wagen bog in letzter Sekunde ab, beschrieb dann mit quietschenden Bremsen eine Kurve und jagte direkt auf Tyrin und Lars zu.
»Vorsicht« schrie Tyrin.
Als das Auto sie fast erreicht hatte, zog er Lars zur Seite, so daß der Mann das Gleichgewicht verlor, und warf sich selbst zu Boden.
Es gab einen dumpfen Knall, gefolgt von einem Schrei und dem Krachen von splitterndem Glas. Das Auto fuhr vorbei.
Geschafft, dachte Tyrin.
Er rappelte sich auf und blickte sich nach Lars um.
Der Matrose lag ein paar Schritte von ihm entfernt auf der Straße. Blut glänzte im Lampenlicht.
Lars stöhnte.
Er lebt, dachte Tyrin, Gott sei Dank.
Das Auto bremste. Einer seiner Scheinwerfer war erloschen – derjenige, der Lars getroffen hatte, nahm Tyrin an. Es rollte im Leerlauf weiter, als zögere der Fahrer. Dann erhöhte es die Geschwindigkeit und verschwand einäugig in die Nacht.
Tyrin beugte sich über Lars. Die anderen Seeleute versammelten sich, schwedisch sprechend, um die beiden. Tyrin berührte Lars’ Bein. Der Mann schrie vor Schmerz auf.
»Ich glaube, das Bein ist gebrochen«, sagte Tyrin. Ein Glück, daß das alles ist.
In einigen der Gebäude, die den Platz umgaben, gingen Lichter an. Einer der Offiziere gab einen Befehl, und ein einfacher Matrose rannte auf ein Haus zu, wahrscheinlich um einen Krankenwagen anzurufen. Nach einem weiteren raschen Dialog lief ein anderer in Richtung Dock.
Lars blutete, aber nicht allzu stark. Der Offizier beugte sich über ihn und gestattete niemandem, Lars’ Bein anzufassen.
Der Krankenwagen kam nach wenigen Minuten, aber Tyrin schien es eine Ewigkeit zu dauern: Er hatte noch nie einen Menschen ermordet, und er wollte niemanden ermorden.
Man legte Lars auf eine Bahre. Der Offizier stieg in den Krankenwagen und wandte sich an Tyrin. »Sie sollten besser mitkommen.«
»Ja.«
»Sie haben ihm das Leben gerettet, glaube ich.«
»Oh.«
Er kletterte zu dem Offizier in den Wagen.
Sie rasten durch die nassen Straßen, während das blitzende Blaulicht auf dem Dach einen gespenstischen Schimmer über die Gebäude warf. Tyrin saß hinten. Er war unfähig, Lars oder den Offizier anzuschauen, und wollte nicht wie ein Tourist aus dem Fenster sehen; deshalb wußte er nicht, wohin er den Blick richten sollte. Er hatte im Dienste seines Landes und Oberst Rostows viele unerfreuliche Dinge getan – er hatte die Gespräche von Liebespaaren aufgenommen, um sie hernach erpressen zu können, er hatte Terroristen gezeigt, wie man Bomben herstellte, er hatte geholfen, Menschen zu fangen, die man später foltern würde –, aber er war nie gezwungen gewesen, mit seinem Opfer zusammen in einem Krankenwagen zu fahren. Es gefiel ihm nicht.
Sie erreichten das Krankenhaus. Die Sanitäter trugen die Bahre
Weitere Kostenlose Bücher