Dreifach
Meer hinaus. Er fühlte sich elender, pessimistischer und deprimierter als je während seines ganzen unglücklichen Lebens. »Scheiße. Sie wissen doch wohl, was das bedeutet? Wir können nicht aufgeben, ich kann Dickstein nicht zurückhalten. Es bedeutet, daß Dickstein Israels letzte Chance ist.«
Kawash schwieg. Borg sah ihn genauer an. Die Augen des Arabers waren geschlossen. »Was tun Sie?«
Nach ein paar Sekunden öffnete Kawash endlich die Augen, blickte Borg an und lächelte höflich, wie es seine Art war. »Ich bete«, sagte er.
Tel Aviv an MS Stromberg
Persönlich Borg nur für Dickstein
Muß von Adressaten entschlüsselt werden
SUZA ASHFORD ALS ARABISCHE AGENTIN ENTLARVT STOP SIE ÜBERREDETE CORTONE, SIE UND HASSAN NACH SIZILIEN ZU BRINGEN STOP TRAFEN NACH DEINER ABREISE EIN STOP CORTONE JETZT TOT STOP DIES UND ANDERE HINWEISE DEUTEN HOHE WAHRSCHEINLICHKEIT AN, DASS IHR AUF SEE ANGEGRIFFEN WERDET STOP WIR KÖNNEN VON HIER AUS NICHTS MEHR UNTERNEHMEN STOP DU HAST ALLES VERSAUT STOP DU BIST AUF DICH ALLEIN GESTELLT UND MUSST ALLEIN EINEN AUSWEG FINDEN ENDE
*
Die Wolken, die sich in den letzten Tagen über dem westlichen Mittelmeer zusammengeballt hatten, barsten in jener Nacht endlich und überschütteten die Stromberg mitRegen. Ein heftiger Wind kam auf, und die Mängel des Schiffes wurden deutlich, als es in den immer stärker werdenden Wellen zu schlingern und zu gieren begann. Nat Dickstein nahm keine Notiz von dem Wetter.
Er saß allein in seiner kleinen Kabine, an dem Tisch, der ans Schott geschraubt war, mit einem Bleistift in der Hand, einem Notizblock, einem Codebuch und einer Nachricht vor sich. Quälend langsam entschlüsselte er Wort für Wort von Borgs Botschaft.
Immer wieder las er sie durch und starrte endlich an die leere Stahlwand.
Es war sinnlos, darüber zu spekulieren, weshalb sie es getan haben könnte, weithergeholte Hypothesen zu erfinden, daß Hassan sie dazu gezwungen oder erpreßt habe, sich einzubilden, sie wäre das Opfer falscher Überzeugungen und verwirrter Motive. Borg hatte gesagt, sie sei eine Spionin, und er hatte recht gehabt. Sie war von Anfang an eine Spionin gewesen. Deshalb hatte sie mit ihm geschlafen.
Das Mädchen hatte eine große Zukunft im Geheimdienstgeschäft.
Dickstein barg das Gesicht in den Händen und preßte die Fingerspitzen gegen die Augen, aber er sah sie immer noch vor sich: Sie war, von ihren hochhackigen Schuhen abgesehen, nackt, hatte sich in der Küche der kleinen Wohnung gegen den Schrank gelehnt und las die Morgenzeitung, während sie darauf wartete, daß das Wasser im Kessel kochte.
Am schlimmsten war, daß er sie immer noch liebte. Bevor er sie getroffen hatte, war er ein Invalide gewesen, ein Gefühlskrüppel, der dort, wo die Liebe hätte sein müssen, nur Leere kannte. Sie hatte ein Wunder vollbracht und ihn geheilt. Nun hatte sie ihn verraten und ihr Geschenk wieder an sich genommen, und er würde noch stärker als je verkrüppelt sein. Er hatte ihr einen Liebesbrief geschrieben. Mein Gott, was war geschehen,als sie den Brief gelesen hatte? Hatte sie gelacht? Hatte sie ihn Yasif Hassan gezeigt und gesagt: »Siehst du, wie er mir aus der Hand frißt?«
Wenn man einem Blinden das Augenlicht zurückgab und ihn dann nach einem Tag nachts im Schlaf wieder blendete, er würde sich nach dem Aufwachen so gefühlt haben wie Dickstein.
Er hatte Borg versprochen, Suza zu töten, wenn sich herausstellen sollte, daß sie eine Agentin war, aber jetzt wußte er, daß das eine Lüge gewesen war. Was sie auch verbrochen haben mochte, er würde ihr nie weh tun können.
Es war spät. Die meisten Besatzungsmitglieder, außer den Wachen, schliefen. Er verließ die Kabine und ging zum Deck hinauf, ohne jemanden zu sehen. Auf dem Weg von der Luke bis zum Schandeckel wurde er bis auf die Haut durchnäßt, doch er merkte es nicht. Er stand an der Reling, blickte in die Dunkelheit hinaus und konnte nicht erkennen, wo das schwarze Meer endete und der schwarze Himmel begann. Regentropfen strömten wie Tränen über sein Gesicht.
Er würde Suza nie töten können, aber bei Yasif Hassan war es etwas anderes.
Wenn ein Mann je einen Feind gehabt hatte, dann war nun Hassan Dicksteins Feind. Er hatte Eila geliebt, und ausgerechnet er mußte sie dann bei einer sinnlichen Umarmung mit Hassan überraschen. Nun hatte er sich in Suza verliebt, um hinterher zu entdecken, daß auch sie von demselben alten Rivalen verführt worden war. Hassan hatte Suza für
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