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Dreifach

Titel: Dreifach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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aussehen ließ, und sein Gang war unbeschwert.
    Dickstein folgte ihm in die Rue Dicks, wo er in einem unbeleuchteten Eingang verschwand. Die Tür war geöffnet, aber nichts deutete an, was sich dahinter verbergen mochte. Nackte Treppenstufen führten nach unten. Nach einer Weile hörte Dickstein schwache Musik.
    Zwei junge Männer mit aufeinander abgestimmten gelben Jeans gingen an ihm vorbei und traten ein. Einer von ihnen grinste zu ihm zurück und sagte: »Ja, hier ist es.«
    Dickstein folgte ihnen die Treppe hinab.
    Es war ein scheinbar normaler Nachtklub mit Tischen und Stühlen, ein paar Nischen, einem kleinen Tanzboden und einem Jazztrio in einer Ecke. Dickstein bezahlte Eintrittsgeld, setzte sich in eine Nische und behielt Steifkragen im Auge. Er bestellte Bier.
    Er hatte schon erraten, weshalb hier eine so diskrete Atmosphäre herrschte, und während er sich umsah, wurde seine Vermutung bestätigt: Es war ein Homosexuellenklub. Dickstein hatte einen Klub dieser Art noch nie besucht und war leicht verblüfft darüber, daß ihm kaum etwas außergewöhnlich vorkam. Einige der Männer hatten dezentes Make-up aufgelegt, zwei übertrieben aufgeputzte Tunten trieben an der Bar ihr Spiel, und ein sehr hübsches Mädchen hielt Händchen mit einer älteren Frau in Hosen. Aber die meisten Gäste waren nach den Maßstäben des pfauenhaften Europa normal angezogen, und es gab keine Männer in Frauenkleidung.
    Steifkragen saß dicht neben einem blonden Mann mit einem kastanienbraunen zweireihigen Jackett. Dickstein hatte keine Vorurteile gegenüber Homosexuellen. Er war nicht beleidigt, wenn jemand fälschlich annahm, daß erhomosexuell sei, weil er Anfang vierzig und immer noch Junggeselle war. Für ihn war Steifkragen nichts als ein Mann, der für Euratom arbeitete und ein Geheimnis hatte, das ihm Schuldgefühle bereitete.
    Dickstein lauschte der Musik und trank sein Bier. Ein Kellner kam auf ihn zu und fragte: »Bist du allein, mein Guter?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich warte auf meinen Freund.« Ein Gitarrist löste das Trio ab und begann, vulgäre deutsche Volkslieder zu singen. Dickstein entgingen die meisten Pointen, doch die übrigen Zuhörer brüllten vor Lachen. Danach tanzten mehrere Paare.
    Dickstein sah, wie Steifkragen die Hand auf das Knie seines Gefährten legte. Er stand auf und ging auf ihre Nische zu.
    »Hallo«, grüßte er munter, »habe ich Sie nicht vor kurzem bei Euratom gesehen?«
    Steifkragen wurde blaß. »Ich weiß nicht ...«
    Dickstein streckte die Hand aus. »Ed Rodgers.« Diesen Namen hatte er auch Pfaffer genannt. »Ich bin Journalist.«
    Steifkragen murmelte: »Sehr erfreut.« Er war total perplex, hatte aber genug Geistesgegenwart, seinen Namen zu verschweigen.
    »Ich bin in Eile«, sagte Dickstein. »Schön, Sie getroffen zu haben.«
    »Auf Wiedersehen also.«
    Dickstein drehte sich um und verließ den Klub. Er hatte alles getan, was im Moment nötig war: Steifkragen wußte, daß sein Geheimnis aufgedeckt war, und hatte Angst.
    Während er zu seinem Hotel zurückkehrte, konnte Dickstein sich nicht des Gefühls beschämender Schmierigkeit erwehren.

    *Jemand folgte ihm von der Rue Dicks. Der Beschatter war kein Fachmann und versuchte nicht, sich zu tarnen. Er blieb fünfzehn oder zwanzig Schritte hinter ihm, und seine Ledersohlen klatschten regelmäßig auf das Pflaster.
    Dickstein gab vor, nichts zu merken. Er überquerte die Straße und erhaschte einen Blick auf seinen Verfolger: ein großer junger Mann, langes Haar, abgetragene braune Lederjacke.
    Augenblicke später trat ein anderer Junge aus dem Schatten, stellte sich vor Dickstein und versperrte ihm den Weg. Dickstein stand still und wartete. Er dachte: Was, zum Teufel, soll das? Er konnte sich nicht vorstellen, daß er bereits überwacht wurde. Und warum würde jemand, der ihn überwachen ließ, ungeschickte Amateure von der Straße einsetzen?
    Die Klinge eines Messers glänzte im Straßenlicht. Der Verfolger kam dicht heran.
    Der Junge vor ihm sagte: »Also gut, schwules Kerlchen, gib uns deine Brieftasche.«
    Dickstein war zutiefst erleichtert. Es waren bloß Diebe, die annahmen, daß jeder, der aus dem Nachtklub kam, eine leichte Beute sein würde.
    »Schlagt mich nicht«, bat Dickstein. »Ich gebe euch mein Geld.« Er zog seine Brieftasche hervor.
    »Die Brieftasche«, befahl der Junge.
    Dickstein wollte nicht mit ihnen kämpfen. Bargeld konnte er sich jederzeit leicht verschaffen, aber wenn er alle seine Papiere und

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