Dreifach
Kirchberg-Plateau in Luxemburg, das sich jenseits der Hügelstadt an einem schmalen Flußbett erhebt. Er saß am Eingang zu den Büros der Euratom-Sicherheitsbehörde und prägte sich die Gesichter der Angestellten ein, die zur Arbeit eintrafen. Eigentlich wartete er auf einen Pressesprecher namens Pfaffer, aber er war absichtlich viel zu früh gekommen, um nach einer Schwachstelle Ausschau zu halten. Der Nachteil dieser Methode war, daß das gesamte Personal ebenfalls sein Gesicht sah. Aber er hatte keine Zeit, subtile Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Pfaffer erwies sich als unordentlicher junger Mann mit mürrischer Miene und einer abgenutzten braunen Aktentasche. Dickstein folgte ihm in ein gleichermaßen unordentliches Büro und nahm sein Angebot einer Tasse Kaffee an. Sie sprachen französisch. Dickstein war beim Pariser Büro einer obskuren Zeitschrift namens Science International akkreditiert. Er erzählte Pfaffer, daß er den Ehrgeiz habe, für den Scientific American zu arbeiten.
»Über welches Thema genau schreiben Sie gerade?«
»Der Artikel heißt ›UVM‹«, erklärte Dickstein. »Unerklärt Verschwundenes Material. In den Vereinigten Staaten geht ständig radioaktiver Brennstoff verloren. Hier in Europa gibt es, wie ich höre, ein internationales System, das über solches Material auf dem laufenden ist.«
»Richtig. Die Mitgliedsländer überlassen Euratom die Kontrolle spaltbarer Substanzen. Wir haben vor allem eine komplette Liste ziviler Einrichtungen, die Vorräte besitzen – von Bergwerken über Vorbereitungs- und Herstellungsanlagen,Lagern und Reaktoren bis zu Wiederaufbereitungsanlagen.«
»Sie sprachen von zivilen Einrichtungen.«
»Ja. Die militärischen sind unserem Einfluß entzogen.«
»Fahren Sie fort.« Dickstein war erleichtert darüber, daß er Pfaffer zum Reden gebracht hatte, bevor dieser hatte merken können, wie begrenzt Dicksteins eigene Kenntnis dieser Thematik war.
»Nehmen Sie zum Beispiel eine Fabrik, die Brennstoffelemente aus gewöhnlichem Yellow Cake herstellt. Der Rohstoff, der in die Fabrik kommt, wird von Euratom-Inspektoren gewogen und analysiert. Die Ergebnisse werden in den Euratom-Computer programmiert und mit den Informationen der Inspektoren an der Versandanlage verglichen – in diesem Fall wahrscheinlich ein Uranbergwerk. Wenn es eine Differenz zwischen der Menge, die die Versandanlage verlassen hat, und der Menge gibt, die in der Fabrik eintrifft, macht der Computer darauf aufmerksam. Ähnliche Messungen – Quantität und Qualität – werden bei dem Material durchgeführt, das aus der Fabrik hinausgeht. Die Zahlen werden ihrerseits mit der Information verglichen, die von Inspektoren an dem Ort kommt, wo der Brennstoff benutzt wird – wahrscheinlich in einem Atomkraftwerk. Außerdem werden alle Rückstände in der Fabrik gewogen und analysiert.
Dieser Prozeß der Prüfung und Gegenprüfung wird bis zur endgültigen Ablagerung der radioaktiven Rückstände durchgeführt. Davon abgesehen, findet wenigstens zweimal jährlich in der Fabrik eine Bestandsaufnahme statt.«
»Ich verstehe.« Dickstein wirkte beeindruckt und fühlte sich völlig entmutigt. Zweifellos übertrieb Pfaffer die Leistungsfähigkeit des Systems. Aber wie sollte man, selbst wenn nur die Hälfte der vorgeschriebenen Prüfungen vorgenommen wurde, hundert Tonnen Yellow Cake fortzaubern, ohne daß der Computer etwas merkte? Ergab Pfaffer ein weiteres Stichwort: »Ihr Computer weiß also jederzeit, wo jedes Stückchen Uran in Europa ist.«
»Innerhalb der Mitgliedsländer – Frankreich, Deutschland, Italien, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg. Und nicht nur von Uran, sondern von allem radioaktiven Material.«
»Wie steht’s mit Einzelheiten des Transports?«
»Alle müssen von uns gebilligt werden.«
Dickstein klappte sein Notizbuch zu. »Scheint ein gutes System zu sein. Kann ich es in Aktion sehen?«
»Das hängt nicht von uns ab. Sie müßten sich an die Atomenergiebehörde in dem jeweiligen Mitgliedsland wenden und die Genehmigung zum Besuch einer Anlage beantragen. Manche von ihnen halten Führungen ab.«
»Können Sie mir eine Liste der Telefonnummern geben?«
»Natürlich.« Pfaffer stand auf und öffnete einen Aktenschrank.
Dickstein hatte ein Problem gelöst, nur um neuerlich mit einem konfrontiert zu werden. Er hatte erfahren wollen, wo er den Standort von Vorräten radioaktiven Materials herausfinden konnte, und nun war seine Frage beantwortet: im Computer der
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