Dreifach
kein Popularitätswettbewerb, schon gar nicht im KGB. David Rostow war jetzt sehr unbeliebt bei seinem Chef und bei all jenen, die loyal zu Felix Woronzow standen. Woronzow kochte vor Wut über die Art und Weise, wie er übergangen worden war. Von nun an würde er alles tun, was in seiner Macht stand, um Rostow zu vernichten.
Rostow hatte damit gerechnet. Er bedauerte seinen Entschluß, in der Dickstein-Geschichte alles auf eine Karte zu setzen, keineswegs. Im Gegenteil, er war recht froh darüber. Schon jetzt dachte er an den erstklassig gearbeiteten, elegant geschnittenen dunkelblauen englischen Anzug, den er sich kaufen würde, wenn er den Einkaufsschein für Abteilung 100 in der dritten Etage des GUM-Warenhauses in Moskau erhielt.
Er bedauerte höchstens, daß er Woronzow ein Schlupfloch gelassen hatte. Er hätte die Ägypter und ihre Reaktion berücksichtigen müssen. Das war das Problem mit den Arabern: Sie waren so tölpelhaft und unbrauchbar, daß man dazu neigte, sie als Faktor in der Welt der Geheimdienste außer acht zu lassen. Zum Glück hatte Jurij Andropow, Chef des KGB und Vertrauter von Leonid Breschnew, durchschaut, was Felix Woronzow vorhatte, nämlich die Kontrolle über das Dickstein-Projekt wiederzugewinnen. Und das hatte Andropow verhindert.
Deshalb war die einzige Konsequenz aus Rostows Fehler, daß er gezwungen sein würde, mit den elenden Arabern zusammenzuarbeiten.
Das war schlimm genug. Rostow hatte seine eigene kleine Mannschaft, die aus Nik Bunin und Pjotr Tyrin bestand und reibungslos operierte. Kairo war löchrig wie ein Sieb: Die Hälfte von dem, was dort ankam, wurde nach Tel Aviv weitergeleitet.
Die Tatsache, daß der ihm zugeteilte Araber Yasif Hassan war, konnte sich als Vorteil erweisen, vielleicht aber auch nicht.
Rostow entsann sich sehr deutlich an Hassan: ein reicher Junge, träge und arrogant, recht clever, aber unmotiviert, mit oberflächlichen politischen Ansichten und zuviel Kleidern. Sein wohlhabender Vater, nicht sein Intellekt war dafür verantwortlich gewesen, daß er in Oxford studieren konnte. Das nahm Rostow ihm jetzt noch mehr übel als damals. Immerhin würde es leichter sein, den Mann unter Kontrolle zu halten, da er ihn kannte. Rostow beabsichtigte, Hassan von vornherein klarzumachen, daß er im Grunde überflüssig war und aus rein politischen Gründen zu der Gruppe gehörte. Er wurde sehr genau überlegen müssen, was er Hassan wissen ließ und was er für sich behielt. Wenn er ihm zu wenig sagte, würde Kairo sich in Moskau beschweren, wenn er ihn zu viel wissen ließ, würde Tel Aviv in der Lage sein, jeden seiner Schritte zu durchkreuzen.
Es war eine verdammte Zwickmühle, aber er selbst war an dieser Misere schuld.
Rostow fühlte sich noch unbehaglicher, als er Luxemburg erreicht hatte. Er war aus Athen gekommen und hatte nach seinem Abflug aus Moskau zweimal die Identität und dreimal die Maschine gewechselt. Diese kleine Vorsichtsmaßnahme war angebracht, denn wenn man direkt aus Rußland eintraf, nahmen die örtlichen Geheimdienstleute die Ankunft zuweilen zur Kenntnis und behielten einen im Auge. Das konnte sehr lästig werden.
Natürlich holte ihn niemand am Flugplatz ab. Er nahm ein Taxi und fuhr in sein Hotel.
Kairo wußte, daß er den Namen David Roberts verwenden würde. Als er sich im Hotel anmeldete, reichte der Empfangschef ihm eine Botschaft. Er öffnete den Umschlag, während er mit dem Hoteldiener im Lift nach oben fuhr. Auf dem Blatt Papier stand nur »Zimmer 179«.
Er gab dem Hoteldiener ein Trinkgeld, hob den Telefonhörer in seinem Zimmer ab und wählte 179. Eine Stimme sagte: »Hallo?«
»Ich bin in 142. Warten Sie zehn Minuten, und kommen Sie dann zur Besprechung hierher.«
»Schön. Hören Sie zu, ist das ...«
»Halten Sie den Mund!« bellte Rostow. »Keine Namen. In zehn Minuten.«
»Natürlich, es tut mir leid, ich ...«
Rostow legte den Hörer auf. Was für Idioten warb Kairo eigentlich an? Offensichtlich solche, die einen mit richtigem Namen an Hoteltelefonen anredeten. Es würde noch schlimmer werden, als er befürchtet hatte.
Es hatte eine Zeit gegeben, da er übermäßig professionell vorging. In ähnlicher Situation hätte er damals das Licht ausgeknipst, die Tür, um einer Falle zu entgehen, mit einer Pistole in der Hand beobachtet, bis der andere Mann eintraf. Inzwischen hielt er dieses Benehmen für ein Zeichen von Überspanntheit und überließ es den Schauspielern in Fernsehfilmen. Komplizierte
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