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Dreifach

Titel: Dreifach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Welt lösen können.«
    »Woran glauben Sie denn, Suza?«
    Sie zögerte und sah ihn mit einem schwachen Lächeln an. »Ich glaube, daß wir nichts brauchen außer Liebe.« Ihre Stimme klang schüchtern und unsicher, so als erwarte sie eine höhnische Bemerkung.
    »Diese Philosophie dürfte sich für ›swinging London‹ besser eignen als für ein waffenstarrendes Israel.«
    »Es hat wohl keinen Zweck, daß ich versuche, Sie zu bekehren.«
    »Dieses Glück sollte ich einmal haben.«
    Sie blickte ihm in die Augen. »Niemand kennt sein Glück genau.«
    Er betrachtete die Speisekarte. »Nur Erdbeeren kommen in Frage.«
    Plötzlich sagte sie: »Wen lieben Sie, Nathaniel?«
    »Eine alte Frau, ein Kind und einen Geist«, antwortete er sofort, denn er hatte sich oft und oft die gleiche Frage gestellt. »Die alte Frau heißt Esther, und sie erinnert sich noch an die Pogrome im zaristischen Rußland. Das Kind ist ein Junge namens Mottie. Ihm gefällt Die Schatzinsel . Sein Vater ist im Sechstagekrieg gefallen.«
    »Und der Geist?«
    »Nehmen Sie auch Erdbeeren?«
    »Ja, bitte.«
    »Sahne?«
    »Nein, danke. Wollen Sie mir nicht von dem Geist erzählen?«
    »Sobald ich Bescheid weiß, werden Sie es erfahren.« Es war Juni, und die Erdbeeren schmeckten köstlich. »Und nun sagen Sie mir, wen Sie lieben.«
    »Hm«, machte sie und überlegte eine Minute lang. »Hm ...« Sie legte den Löffel hin. »Oh Mist, Nathaniel, ich glaube, ich liebe dich.«

    *

    Ihr erster Gedanke war: Was zum Teufel ist mit mir los? Warum habe ich das gesagt?
    Dann dachte sie: Keine Ahnung, aber es stimmt. Und schließlich: Warum liebe ich ihn?
    Sie wußte nicht, warum, doch sie wußte, wann sie sichin ihn verliebt hatte. Es hatte zwei Momente gegeben, da sie den echten Dickstein hatte sehen können: zum erstenmal, als er von den Londoner Faschisten in den dreißiger Jahren sprach, und zum zweitenmal, als er den Jungen erwähnte, dessen Vater im Sechstagekrieg umgekommen war. Beide Male hatte er seine Maske fallenlassen. Sie hatte einen kleinen, verängstigten Mann erwartet, der sich in einer Ecke verkroch. Tatsächlich aber war er stark, selbstbewußt und entschlossen. Und in diesen zwei Momenten hatte sie seine Kraft gespürt, und ihr war ein wenig schwindlig geworden.
    Der Mann war ungewöhnlich und faszinierend. Suza wollte ihm nahekommen, ihn verstehen, seine geheimsten Gedanken erfahren. Sie wollte seinen knochigen Körper berühren, fühlen, wie seine kräftigen Hände sie packten, wollte in seine traurigen braunen Augen blicken, wenn er vor Leidenschaft aufstöhnte. Sie wollte seine Liebe.
    So war es früher noch nie gewesen.

    *

    Nat Dickstein wußte, daß alles verkehrt war.
    Suzas Zutrauen zu ihm war entstanden, als sie fünf Jahre alt und er ein freundlicher Onkel gewesen war, der verstand, mit Kindern und Katzen umzugehen. Jetzt beutete er ihre kindliche Zuneigung aus.
    Er hatte Eila geliebt, die jetzt tot war. Es war etwas Unmoralisches an der Beziehung zu dieser Doppelgängerin, die ihre Tochter war.
    Dickstein war nicht nur Jude, sondern Israeli; nicht nur Israeli, sondern ein Mossad-Agent. Weniger als jeder andere durfte er ein Mädchen lieben, das eine halbe Araberin war. Immer, wenn sich ein schönes Mädchen in einen Spion verliebt, muß der Spion sich zuallererst fragen, für welchen feindlichen Geheimdienst es möglicherweise arbeitet.
    Wenn im Laufe der Jahre eine Frau Dickstein ihre Zuneigung gezeigt hatte, hatte er immer Gründe wie diesen gefunden, um kühl zu bleiben, und früher oder später hatte sie verstanden und sich enttäuscht zurückgezogen. Die Tatsache, daß Suza dieser seiner automatischen Abwehr zuvorgekommen war und solcherart sein Unterbewußtsein ausgeschaltet hatte, war nur ein weiterer Grund, mißtrauisch zu sein.
    Es war alles verkehrt.
    Aber Dickstein kümmerte sich nicht darum.

    *

    Sie nahmen ein Taxi zu ihrer Wohnung, in der sie vorhatte, die Nacht zu verbringen. Sie lud ihn ein – ihre Freunde, die Besitzer der Wohnung, waren im Urlaub, und sie gingen zusammen ins Bett. Damit begannen ihre Probleme.
    Zuerst dachte Suza, er wäre von allzu ungeduldiger Leidenschaft, als er in dem kleinen Flur ihre Arme packte und sie stürmisch küßte. »Oh Gott«, keuchte er, während sie seine Hände nahm und auf ihre Brüste legte. In diesem Moment ging ihr der zynische Gedanke durch den Kopf: Diese Vorstellung kenne ich schon – er ist so überwältigt von meiner Schönheit, daß er mich praktisch vergewaltigt, und

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