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Dreifach

Titel: Dreifach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Schweigen. Er lag still, unbewegt und mit geschlossenen Augen da. Endlich begann er.
    »Ich wußte nicht, wo wir waren – weiß es bis heute nicht. Man brachte uns in Viehwagen dorthin. Es war ein Sonderlager, ein medizinisches Forschungszentrum. Die Gefangenen wurden aus sämtlichen Lagern ausgewählt. Wir waren alle jung, gesund und Juden.
    Die Verhältnisse waren besser als im ersten Lager. Wir hatten genug zu essen, Decken, Zigaretten; es gab keine Diebstähle und keine Kämpfe. Zuerst dachte ich, ich hätte Glück gehabt. Viele Tests wurden gemacht – Blut, Urin, blase in dieses Röhrchen, fang diesen Ball, lies die Buchstaben an der Tafel. Es war wie in einem Krankenhaus. Dann fingen die Experimente an.
    Bis heute weiß ich nicht, ob echte wissenschaftliche Motive dahintersteckten. Ich meine, wenn man so etwas mit Tieren täte, könnte ich einsehen, daß es vielleicht interessant und aufschlußreich wäre. Aber die Ärzte müssen wahnsinnig gewesen sein. Ich weiß es nicht.«
    Er unterbrach sich und schluckte. Es fiel ihm immer schwerer, ruhig zu sprechen. Suza flüsterte: »Du mußt mir alles erzählen, was geschehen ist – alles.«
    Dickstein war bleich, und er fuhr mit leiser Stimme fort und hielt die Augen weiterhin geschlossen. »Sie brachten mich in dieses Labor. Die Posten, die mich begleiteten, blinzelten mir dauernd zu, stießen mich an und sagtenmir, daß ich mich freuen könne. Es war ein großes Zimmer mit niedriger Decke und sehr heller Beleuchtung. Sechs oder sieben von ihnen waren da, mit einer Filmkamera. In der Mitte des Raumes stand ein flaches Bett mit einer Matratze, ohne Laken. Auf der Matratze lag eine Frau. Man befahl mir, mit ihr zu schlafen. Die Frau war nackt und zitterte – auch sie gehörte zu den Gefangenen. Sie flüsterte mir zu: ›Du rettest mein Leben, und ich rette deins.‹ Und dann taten wir’s. Aber das war erst der Anfang.«
    Suza ließ ihre Hand über seine Lenden gleiten und merkte, daß sein Penis steif war. Jetzt begriff sie. Sie streichelte ihn, zunächst ganz sanft, und wartete darauf, daß er weitersprach – denn sie wußte, daß er ihr nun die ganze Geschichte erzählen würde.
    »Danach wurde das Experiment variiert. Monatelang dachten sie sich jeden Tag etwas anderes aus. Manchmal Drogen. Eine alte Frau. Einmal ein Mann. Geschlechtsverkehr in verschiedenen Positionen – im Stehen, im Sitzen, alles mögliche. Oral, anal, Masturbation, Gruppensex. Wenn man nicht mitmachte, wurde man ausgepeitscht oder erschossen. Deshalb wurde die Sache nach dem Krieg nie bekannt, verstehst du? Weil alle Überlebenden schuldig waren.«
    Suza streichelte ihn stärker. Sie war sicher – ohne zu wissen, warum –, daß es richtig war. »Sag es mir. Alles.« Er atmete schneller. Seine Augen öffneten sich, er starrte an die leere weiße Decke und schien einen anderen Ort und eine andere Zeit zu sehen. »Am Ende ... am beschämendsten es war eine Nonne. Ich glaubte zuerst, daß sie mich belogen, daß man sie nur verkleidet hatte, aber dann begann sie zu beten, auf französisch. Sie hatte keine Beine ... man hatte sie amputiert, nur um die Wirkung auf mich zu beobachten ... Es war fürchterlich, und ich ... und ich ...«
    Dann zuckte er zusammen, Suza beugte sich vor und schloß den Mund um seinen Penis. Er stöhnte: »Oh nein,nein, nein!« im Rhythmus seiner Zuckungen. Danach war alles vorbei, und er weinte.

    *

    Suza küßte seine Tränen und sagte ihm immer wieder, daß alles in Ordnung sei. Er beruhigte sich langsam und schien ein paar Minuten lang zu schlafen. Sie lag neben ihm und betrachtete sein Gesicht, während sich die Spannung löste. Dann öffnete er die Augen und fragte: »Warum hast du das getan?«
    Sie hatte es selbst nicht ganz verstanden, aber nun glaubte sie, die Erklärung zu kennen. »Ich hätte dir einen Vortrag halten können«, sagte sie. »Ich hätte dir versichern können, daß du dich nicht zu schämen brauchst, daß jeder gräßliche Phantasien hat, daß Frauen davon träumen, ausgepeitscht zu werden, und Männer davon, sie auszupeitschen, daß man hier in London pornographische Bücher, farbig illustriert, über Sex mit Amputierten kaufen kann. Ich hätte dir sagen können, daß viele Männer bestialisch genug gewesen wären, um alle Befehle in dem Nazi-Labor auszuführen. Aber wenn ich mit dir diskutiert hätte, wäre alles vergeblich gewesen. Ich mußte es dir zeigen. Außerdem ...« Sie lächelte wehmütig. »Außerdem habe auch ich meine dunklen

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