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Dreifach

Titel: Dreifach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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wie gestern warf sie die Arme um seinen Hals und küßte ihn; diesmal aber dauerte der Kuß länger. Er hatte beinahe erwartet, sie in einem langen Kleid und mit einer Nerzstola zu sehen – wie die Frau eines Bankiers, die abends in den Klub 61 in Tel Aviv geht. Aber Suza gehörte natürlich einem anderen Land und einer anderen Generation an: Sie trug hohe Stiefel, die unter dem Saum ihres knielangen Rocks verschwanden, und ein seidenes Hemd unter einer bestickten Weste, die der eines Matadors glich. Ihr Gesicht war ungeschminkt, ihre Hände waren leer: kein Mantel, keine Handtasche, kein Handkoffer. Sie standen still und lächelten sich einen Moment lang an. Dickstein wußte nicht genau, was er tun sollte, und reichte ihr seinen Arm wie am Tag vorher. Darüber schien sie sich zu freuen. Sie gingen zum Taxistand.
    Als sie in das Taxi stiegen, fragte Dickstein: »Wohin wollen Sie?«
    »Sie haben nichts bestellt?«
    Ich hätte einen Tisch reservieren sollen, dachte er. »Ich kenne keine Londoner Restaurants.«
    »Kings Road«, rief Suza dem Fahrer zu.
    Das Taxi setzte sich in Bewegung, und sie blickte Dickstein an. »Hallo, Nathaniel.«
    Niemand nannte ihn je Nathaniel. Es gefiel ihm. Das Restaurant in Chelsea, für das sie sich entschieden hatte, war offenbar »in«. Es war klein, und man saß im Halbdunkel. Als sie zu einem Tisch gingen, glaubte Dickstein, ein oder zwei Gesichter zu erkennen. Sein Magen verkrampfte sich, während er sich bemühte, sie einzuordnen. Dann wurde ihm klar, daß es Schlagersänger waren, die er in Zeitschriften gesehen hatte, und er entspannte sich wieder. Er war froh darüber, daß seine Reflexe ihn nicht im Stich ließen, obwohl er diesen Abend auf so untypische Weise verbrachte. Außerdem war er erleichtert, weil die anderen Gäste allen Altersgruppen angehörten. Er hatte ein wenig gefürchtet, er könnte der älteste Mann weit und breit sein.
    Sie setzten sich, und Dickstein fragte: »Bringen Sie alle Ihre jungen Freunde hierher?«
    Suza bedachte ihn mit einem kühlen Lächeln. »Das ist die erste Dummheit, die ich von Ihnen höre.«
    »Ich gelobe Besserung.« Er hätte sich ohrfeigen können.
    »Was essen Sie gern?« wollte sie wissen, und der peinliche Moment war vorüber.
    »Zu Hause esse ich einfache, gesunde Nahrung. Wenn ich auf Reisen bin, wohne ich in Hotels und bekomme wertloses Zeug, das einem als haute cuisine angedreht wird. Am liebsten mag ich Dinge, die ich weder in Israel noch in Hotels bekomme: gebratene Lammkeule, Steak- und-Nieren-Pastete, Lancashire-Fleischragout.«
    »Mir gefällt an Ihnen«, sagte sie grinsend, »daß Sie keine Ahnung haben, was schick ist und was nicht. Es ist Ihnen sogar völlig egal.«
    Er berührte seine Jackenaufschläge. »Was halten Sie von dem Anzug?«
    »Ich bin begeistert. Er muß aus der Mode gewesen sein, als Sie ihn kauften.«
    Er entschied sich für Roastbeef vom Servierwagen, undsie bestellte eine Art sautierter Leber, die sie mit enormem Appetit verspeiste. Dickstein ließ eine Flasche Burgunder kommen; ein milderer Wein hätte nicht zu der Leber gepaßt. Seine Weinkenntnis war das einzige, womit er in feiner Gesellschaft bestehen konnte. Aber er ließ sie das meiste trinken; sein Bedürfnis nach Alkohol war gering. Suza erzählte ihm von ihrer Erfahrung mit LSD. »Es war unvergeßlich. Ich konnte meinen ganzen Körper spüren, innen und außen. Meine Haut fühlte sich wunderbar an, wenn ich sie berührte. Ich konnte mein Herz hören. Und die Farben und alles sonst ... Aber die Frage ist, ob die Droge mir erstaunliche Dinge zeigte oder ob sie mich nur in Rausch versetzte. Ist es eine neue Art, die Welt zu sehen, oder stellt es nur künstlich jene Eindrükke her, die man hätte, wenn man die Welt wirklich auf neue Art sehen könnte?«
    »Danach wollten Sie nicht noch mehr haben?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es behagt mir nicht, zu sehr die Kontrolle über mich zu verlieren. Aber ich bin froh, daß ich weiß, wie es ist.«
    »Das hasse ich am Alkohol – den Verlust der Selbstbeherrschung. Obwohl ich sicher bin, daß es sich nicht vergleichen läßt. Jedenfalls hatte ich bei den ein, zwei Malen, als ich betrunken war, nicht das Gefühl, den Schlüssel zum Universum gefunden zu haben.«
    Sie machte eine abschätzige Handbewegung. Es war eine lange, schlanke Hand wie die Eilas; und plötzlich erinnerte Dickstein sich, daß Eila immer genau die gleiche anmutige Geste gemacht hatte.
    »Ich glaube nicht, daß Drogen die Probleme der

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