Dreifach
Uran, das er braucht, einfach zu stehlen. Genau das ist die Denkweise dieser Leute. Sie glauben, mit dem Rücken zur Wand zu stehen, und sind deshalb imstande, die Feinheiten der internationalen Diplomatie außer acht zu lassen.«
Rostow konnte etwas weitergehende Vermutungen anstellen als Hassan – weshalb er gleichzeitig so gehobener Stimmung und so bestrebt war, sich des Arabers für eine Weile zu entledigen. Er wußte von dem ägyptischen Atomprojekt in Kattara, während Hassan beinahe mit Sicherheit nicht davon unterrichtet war, denn wieso hätte man einem Agenten in Luxemburg solche Geheimnisse verraten sollen?
Allerdings war Kairo so undicht, daß die Israelis wahrscheinlich auch über die ägyptische Bombe informiert waren. Und was würden sie dagegen unternehmen? Sie würden ihre eigene Bombe bauen, wofür sie, um den Ausdruck des Euratom-Mannes zu benutzen, »spaltbares Material« benötigten. Er nahm an, daß Dickstein Uran für eine israelische Atombombe besorgen sollte. Hassan würde zu dieser Schlußfolgerung nicht fähig sein – noch nicht. Rostow hatte nicht vor, ihm zu helfen, denn er wollte nicht, daß Tel Aviv erfuhr, wie heiß seine Spur war.
Wenn der Computerausdruck am Abend eintraf, würdeer noch weitere Fortschritte machen, denn aus dieser Liste hatte Dickstein sich wahrscheinlich sein Ziel gewählt. Rostow wollte Hassan auch diese Information vorenthalten.
David Rostows Blut war in Wallung. Er fühlte sich wie bei einer Schachpartie in dem Moment, da drei oder vier Züge des Gegners dessen System verrieten, so daß er wußte, wo der Angriff stattfinden würde und wie er ihn in eine Niederlage verwandeln konnte. Er hatte die Gründe, weshalb er den Kampf mit Dickstein aufgenommen hatte, nicht vergessen – jenen anderen Konflikt innerhalb des KGB zwischen ihm und Felix Woronzow, mit Jurij Andropow als Schiedsrichter und einem Platz in der Physikalisch-Mathematischen Schule als Preis. Aber all das war jetzt in den Hintergrund gedrängt. Was ihn jetzt antrieb, was ihn gespannt und wachsam und skrupellos machte, das waren die Jagdlust und das Wittern von Beute.
Hassan war ihm im Weg. Der laienhafte, ungeschickte Hassan, der eifrig seine Berichte nach Kairo sandte, war in diesem Moment ein gefährlicherer Feind als Dickstein selbst. Bei all seinen Fehlern war er nicht dumm – er besaß sogar eine verschlagene, typisch levantinische Intelligenz, die er zweifellos von seinem kapitalistischen Vater geerbt hatte. Er würde wissen, daß Rostow ihn loswerden wollte. Deshalb mußte er mit einer echten Aufgabe betraut werden.
Sie schritten unter dem Pont Adolphe hindurch, und Rostow blieb stehen, um zurückzublicken und die Aussicht durch den Brückenbogen zu genießen. Er wurde an Oxford erinnert, und plötzlich fiel ihm ein, was er mit Hassan anfangen konnte.
»Dickstein weiß, daß ihn jemand beschattet hat. Vermutlich ahnt er, daß die Begegnung mit Ihnen daran schuld ist.«
»Meinen Sie wirklich?« fragte Hassan.
»Hören Sie zu. Er beginnt, an einem Auftrag zu arbeiten, stößt auf einen Araber, der seinen richtigen Namen kennt, und plötzlich wird er verfolgt.«
»Für ihn reine Spekulation, aber er weiß nichts Bestimmtes.«
»Sie haben recht.«
Hassans Miene verriet Rostow, wie gern er diese Worte – Sie haben recht – hörte. Rostow dachte: Er mag mich nicht, aber er braucht meine Anerkennung, sogar sehr. Ich kann seinen Stolz ausnutzen.
»Dickstein muß also Nachforschungen anstellen«, fuhr Rostow fort. »Sind Sie in Tel Aviv registriert?«
Hassan zog mit einem Hauch seiner alten aristokratischen Gelassenheit die Schultern hoch. »Wer weiß?«
»Wie oft sind Sie anderen Agenten – Amerikanern, Briten, Israelis – unter die Augen gekommen?«
»Nie. Ich bin übervorsichtig.«
Rostow hätte beinahe laut aufgelacht. In Wahrheit war Hassan ein zu unbedeutender Agent, als daß er je die Aufmerksamkeit der großen Geheimdienste erregt hätte, und er hatte nie etwas so Wichtiges zu tun gehabt, daß er auf andere Spione gestoßen wäre. »Wenn Sie nicht registriert sind, muß Dickstein sich mit Ihren Freunden unterhalten. Haben Sie gemeinsame Bekannte?«
»Nein, ich hatte ihn seit dem College nicht gesehen. Außerdem könnte er nichts von meinen Freunden erfahren. Sie wissen nichts von meinem Doppelleben. Ich erzähle den Leuten doch nicht ...«
»Natürlich nicht.« Rostow mußte seine Ungeduld zügeln. »Aber Dickstein brauchte doch nur ein paar beiläufige Fragen über Ihr
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