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Dreifach

Titel: Dreifach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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hierhergegangen. Der Regen peitschte in dichten Schwaden über den leeren Park. Ab und zu landete ein Tropfen auf der Spitze von Borgs Zigarre, und er mußte sie von neuem anzünden.
    Es waren die ungelösten Spannungen in Dickstein, die den Mann so fanatisch machten. Borg wollte auf keinen Fall, daß Dickstein sich zu entspannen lernte.
    Die Pflasterkünstler waren Dickstein zu einem kleinen Wohnhaus in Chelsea gefolgt, wo er eine Frau getroffen hatte. »Es ist eine sexuelle Beziehung«, hatte einer von ihnen gemeldet. »Ich habe ihren Orgasmus gehört.« Der Hausverwalter war befragt worden, doch er wußte nichts über die Frau, außer daß sie eng mit den Leuten befreundet war, denen das Apartment gehörte.
    Die naheliegenden Schlußfolgerungen waren, daß die Wohnung Dickstein gehörte und er den Hausverwalter bestochen hatte zu lügen; daß er die Wohnung nur für diese Rendezvous benutzte; daß er sich mit jemandem von der Gegenseite, einer Frau, traf, daß sie miteinander schliefen und er ihr dabei Geheimnisse verriet.
    Borg hätte diese Schlußfolgerungen ziehen müssen, wenn er auf irgendeine andere Weise von der Frau erfahren hätte. Aber wenn Dickstein plötzlich zum Verräter geworden war, würde er Borgs Mißtrauen nicht geweckt haben. Er war zu gerissen, hätte seine Spuren verwischt. Niemals hätte er die Pflasterkünstler direkt zu der Wohnung geführt, ohne sich nur einmal umzublicken. Dicksteins ganzes Verhalten schien seine Unschuld zu beweisen. Er hatte Borg getroffen, über das ganze Gesicht gegrinst und entweder nicht gewußt oder sich nichts daraus gemacht, daß seine Stimmung von seiner Miene abzulesen war. Borg hatte keine andere Wahl gehabt, als ihn beschatten zu lassen. Stunden später bumste Dickstein irgendein Mädchen, das so viel Spaß daran hatte, daß man die Schreie bis auf die Straße hören konnte. Die ganze Sache war so verdammt simpel, daß sie einfach wahr sein mußte.
    Also gut. Eine Frau hatte einen Weg gefunden, Dicksteins Abwehr zu überwinden und ihn zu verführen. Dickstein reagierte wie ein Teenager, weil er nie eine Jugend gehabt hatte. Die entscheidende Frage war: Wer war sie?
    Die Russen besaßen ebenfalls Akten, und sie hätten wie Borg vermuten müssen, daß Dickstein für sexuelle Annäherungennicht empfänglich war. Vielleicht waren sie bereit gewesen, es auf einen Versuch ankommen zu lassen, und vielleicht hatten sie recht gehabt.
    Wieder riet Borgs Instinkt ihm, Dickstein sofort ablösen zu lassen, und wieder zögerte er. Wenn es sich um jedes andere Projekt und jeden anderen Agenten als Dickstein gehandelt hätte, hätte er nicht geschwankt. Doch Dickstein war der einzige, der dieses Problem lösen konnte. Borg blieb nichts anderes übrig, als an seinem ursprünglichen Vorhaben festzuhalten: zu warten, bis Dickstein seinen Plan voll entwickelt hatte, und ihn dann zurückzurufen.
    Zumindest würde er das Londoner Büro veranlassen, so viel wie möglich über die Frau herauszufinden.
    Vorerst mußte er eben hoffen, daß Dickstein, wenn sie eine Agentin war, klug genug sein würde, ihr nichts zu erzählen.
    Es würde gefährlich werden, aber es gab nichts, was Borg im Moment unternehmen konnte.
    Seine Zigarre erlosch, doch er merkte es kaum. Der Park war nun völlig menschenleer. Borg saß auf seiner Bank, rührte sich nicht, was für ihn untypisch war, hielt sich den Regenschirm über den Kopf, sah aus wie ein Denkmal und ängstigte sich zu Tode.

    *

    Dickstein sagte sich, daß der Spaß vorbei war. Es wurde Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen.
    Als er sein Hotelzimmer um 10.00 Uhr betrat, wurde ihm klar, daß er – gegen alle Vernunft – keine Sicherheitsvorkehrungen getroffen hatte. Zum erstenmal seit zwanzig Jahren als Agent hatte er einfach die elementarsten Vorsichtsmaßnahmen vergessen. Er stand in der Tür, blickte sich um und dachte an die umwerfende Wirkung, die sie auf ihn gehabt hatte. Suza zu verlassen und dieArbeit wiederaufzunehmen, war, als stiege er in einen vertrauten Wagen, der ein Jahr lang in der Garage gestanden hatte: Er mußte die alten Gewohnheiten, die alten Instinkte, die alte Paranoia wieder in seinen Geist einsikkern lassen.
    Er ging ins Bad und ließ die Wanne vollaufen. Nun hatte er so etwas wie eine emotionelle Atempause. Suza mußte ab heute wieder arbeiten. Sie war bei der BOAC, und ihr Dienst würde sie um die ganze Welt führen. Zwar dachte sie, in einundzwanzig Tagen zurück zu sein, aber es konnte auch länger dauern. Er

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