Dreifach
quadratisch; das Einzelbett stand an dereinen Wand, das Fernsehgerät an der anderen. An der Außenwand gegenüber der Tür war ein großes Fenster. Tyrin nahm den Telefonhörer hoch und schraubte das Mundstück ab. Rostow stand am Fuß des Bettes, schaute sich um und versuchte, einen Eindruck von dem Mann zu bekommen, der in diesem Zimmer wohnte. Es gab nur wenige Anhaltspunkte. Das Zimmer war gesäubert, das Bett gemacht worden. Auf dem Nachttisch lagen ein Buch mit Schachproblemen und eine Abendzeitung. Es gab keine Anzeichen von Tabak oder Alkohol. Der Papierkorb war leer. Ein kleiner schwarzer Kunststoffkoffer auf einem Hocker enthielt saubere Unterwäsche und ein sauberes Hemd. Rostow murmelte: »Der Mann reist mit einem Reservehemd!« Die Schubladen des Friesiertisches waren leer. Rostow blickte in das Bad. Er sah eine Zahnbürste, einen aufladbaren elektrischen Rasierapparat mit Zusatzsteckern für verschiedene Arten von Steckdosen und – das einzige persönliche Zeichen – ein Päckchen Tabletten gegen Verdauungsstörungen.
Rostow kehrte in das Schlafzimmer zurück, wo Tyrin das Telefon wieder zusammensetzte. »Fertig.«
»Bring eine hinter dem Kopfbrett an.«
Tyrin klebte eine Wanze an die Wand hinter dem Bett, als das Telefon klingelte.
Falls Dickstein zurückkam, sollte der Posten im Foyer das Zimmer über den Hausanschluß anrufen, das Telefon zweimal klingeln lassen und dann aufhängen.
Es klingelte zum zweitenmal. Rostow und Tyrin warteten regungslos und stumm.
Es klingelte noch einmal.
Sie atmeten auf.
Nach dem siebten Mal war es zu Ende.
»Wenn er bloß einen Wagen hätte, den wir abhören könnten.«
»Ich habe einen Hemdknopf.«
»Was?«
»Eine Wanze, die wie ein Hemdknopf aussieht.«
»Ich wußte nicht, daß es so was gibt.«
»Es ist neu.«
»Hast du Nadel und Faden?«
»Natürlich.«
»Dann fang an.«
Tyrin trat an Dicksteins Koffer, schnitt den zweiten Knopf ab, ohne das Hemd herauszunehmen, und entfernte sorgfältig alle losen Fäden. Mit ein paar flinken Stichen nähte er den neuen Knopf an. Seine dicklichen Hände waren überraschend geschickt.
Rostows Gedanken waren woanders. Er wollte unbedingt sichergehen, daß er alles belauschen konnte, was Dickstein sagte oder tat. Der Israeli könnte die Wanzen im Telefon und hinter dem Kopfbrett finden, und er würde das präparierte Hemd nicht dauernd tragen. Er schaltete gern alle Fehlerquellen aus, aber Dickstein war so schlüpfrig, daß man rasend werden konnte. Rostow hatte die schwache Hoffnung gehegt, irgendwo in diesem Zimmer ein Foto von jemandem zu finden, den Dickstein liebte.
»Hier.« Tyrin zeigte ihm seine Arbeit. Das Hemd bestand aus einfachem weißen Nylon und hatte ganz gewöhnliche weiße Knöpfe. Der neue war von den anderen nicht zu unterscheiden.
»Gut. Mach den Koffer zu.«
Tyrin tat es. »Sonst noch etwas?«
»Wir müssen uns noch mal nach Sicherheitsvorkehrungen umsehen. Ich kann nicht glauben, daß Dickstein weggeht, ohne irgendeine Vorsichtsmaßnahme getroffen zu haben ...«
Sie suchten wieder – rasch, schweigend, mit geübten und sparsamen Bewegungen, die ihre Eile nicht erkennen ließen. Es gab Dutzende von Methoden, um Verräterfallen zu stellen. Ein Haar, das leicht über den Türspalt geklebt wurde, war am einfachsten; ein Papierfetzen,hinter die Rückseite einer Schublade geklemmt, würde hinunterfallen, wenn man die Schublade öffnete; ein Stück Würfelzucker unter einem dicken Teppich würde lautlos von einem Fuß zermalmt werden; eine Münze hinter dem Futter eines Kofferdeckels würde von vorn nach hinten rutschen, wenn man den Koffer aufmachte.
Sie fanden nichts.
»Alle Israelis leiden an Verfolgungswahn. Wieso sollte er anders sein?« fragte Rostow.
»Vielleicht ist er abgelöst worden.«
Rostow grunzte. »Aus welchem anderen Grund könnte er plötzlich unvorsichtig werden?«
»Er könnte sich verliebt haben.«
»Sicher«, lachte Rostow. »Und Josef Stalin könnte vom Vatikan heiliggesprochen werden. Laß uns verschwinden.«
Er ging hinaus; Tyrin folgte ihm und schloß die Tür leise hinter sich.
*
Es war also eine Frau.
Pierre Borg war schockiert, erstaunt, verblüfft, fasziniert und tief besorgt.
Dickstein hatte nie etwas mit Frauen zu tun gehabt.
Borg saß auf einer Parkbank unter einem Regenschirm. Er war unfähig gewesen, in der Botschaft darüber nachzudenken. Da dort ständig Telefone klingelten und man ihm dauernd Fragen stellte, war er trotz des Wetters
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