Dreikönigsmord (German Edition)
Ebene.
Erst als sie in den Wald einbogen und das steile Straßenstück hinunterfuhren, wo sich der Unfall ereignet hatte, spürte Jo nun doch ein flaues Gefühl in der Magengrube.
»Ist alles in Ordnung mit dir?« Friedhelm warf ihr einen Blick von der Seite zu und griff mit seiner Rechten nach ihrer Hand.
»Ja, ja …«, erwiderte Jo rasch.
»Ich werde es niemals vergessen, wie ich durch das Handy deine Schreie und dann den Aufprall hörte«, seufzte er. »Und dann die entsetzliche halbe Stunde, bis ich von der Polizei erfuhr, was geschehen war …«
Das hat er mir bei fast jedem unserer Treffen gesagt , durchfuhr es Jo. Sie drückte seine Hand etwas fester, als es nötig gewesen wäre.
»Tritt dieser Jäger eigentlich morgen auch seinen Dienst an?« Friedhelm konzentrierte sich wieder auf die Straße.
»Ähm, ich glaube schon … Aber Brunhild Birnbaum sagte mir, dass er wahrscheinlich in einem anderen Dezernat arbeiten wird.«
»Nach allem, was ich über ihn weiß, wird das kein großer Verlust für die Mordkommission Ebersheim sein.«
»Nein, ich meine: Ich bin froh, nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten zu müssen …« Nur ein einziges Mal hatte Jo seit dem Ende der Therapie Traum und Wirklichkeit durcheinandergebracht. Als sie mit Lutz Jäger telefonierte, um ihn zu fragen, wie es ihm ginge, und seine Stimme hörte. Sie hatte einige Momente benötigt, um zu begreifen, dass dies nicht der Lutz war, der ihr in ihrem Traum so vertraut geworden war, sondern im Grunde genommen ein Mensch, den sie kaum kannte und eigentlich nicht besonders mochte.
Plötzlich war sie völlig befangen gewesen. Lutz Jäger hatte auf ihre Fragen nur einsilbig reagiert. Wahrscheinlich trug er ihr den Streit vor dem Unfall noch nach. Bekifft hatte sie mit ihm einen möglichen Tatort untersucht … Ein Symbol für eine nicht ausgelebte Facette ihrer Persönlichkeit, laut Doktor Meyerhoff. Nun, wahrscheinlich käme sie noch nicht einmal im Traum auf die Idee, so etwas Abwegiges zusammen mit Friedhelm zu tun. Jo entspannte sich wieder.
Friedhelm bog nun in die Abzweigung zum Kloster ein. Am Ende des Tals mit seinen Wiesen und Weiden tauchte der barocke Zwiebelturm der Kirche auf. Obwohl es noch recht früh am Abend war, standen auf dem Parkplatz bereits einige Autos. Wahrscheinlich gehörten sie Restaurantbesuchern, vermutete Jo.
»Der Kräutergarten soll sehr hübsch sein. Sollen wir noch einen Spaziergang dahin machen, bevor wir essen gehen?«, fragte Friedhelm, während er den Wagen parkte.
Im Kräutergarten hatte sie damals vor dem Unfall jene mittelalterlich gekleideten Menschen gesehen. »Also ehrlich gesagt, habe ich ziemlich großen Hunger«, erklärte Jo rasch.
»Ganz wie du möchtest.« Friedhelm lächelte verständnisvoll.
Am Rand der Restaurant-Terrasse fanden sie einen sonnigen Tisch zwischen mit Oleander und Buchsbaum bepflanzten Kübeln. Schnell hatten sie ihre Speisen gewählt. Friedhelm winkte die junge Kellnerin herbei, und nachdem er ihr das Gewünschte genannt hatte, orderte er noch eine Flasche Champagner vor dem Essen.
»Findest du nicht, dass das ein bisschen übertrieben ist?«, fragte Jo überrascht.
»Nun, wenn deine Genesung kein Grund für Champagner ist …« Wieder griff Friedhelm nach ihrer Hand und streichelte sie.
Ach, er hat ja recht, das Leben ist so kurz … Der Gedanke durchfuhr Jo, dass sie etwas Ähnliches auch einmal in ihrem Traum gedacht hatte, doch sie war nicht gewillt, sich noch länger mit ihren Komafantasien zu befassen. Stattdessen schloss sie ihre Finger um die Friedhelms. Ein Kribbeln rann ihre Wirbelsäule hinunter.
Die Kellnerin erschien mit einem Tablett, auf dem ein Kühler sowie zwei Champagnerschalen standen. Nachdem Friedhelm selbst eingeschenkt hatte, prostete er Jo zu. »Auf deine Genesung. Und darauf, dass wir uns wieder nahegekommen sind.«
»Ja, auf uns.« Jo erwiderte sein Lächeln und trank einen tiefen Schluck.
»Jo, da ist noch etwas, weshalb ich den Champagner bestellt habe …« Während Jo einen weiteren großen Schluck nahm und sich das Kribbeln in ihrem Körper verstärkte, stellte Friedhelm ein kleines, in blauen Samt eingeschlagenes Schächtelchen auf den Tisch. »Jo, in den Wochen, als du im Koma lagst, wurde mir klar, dass ich dich liebe und ich mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen kann.« Er blickte ihr in die Augen. »Jo, ich möchte dich bitten, meine Frau zu werden.«
Das Kästchen schnappte auf und präsentierte einen Silberring. Drei
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