Dreikönigsmord (German Edition)
Chefin Brunhild Birnbaum geküsst … Irgendetwas in der Art … Außerdem … Haben Sie jemals in einem Traum Dinge so intensiv gerochen und gefühlt?« Lutz Jäger fuhr über die Kante des Schreibpults, dann entkorkte er das Tintenfass und schnupperte daran. »Hier, riechen Sie mal.«
Dem kleinen Tongefäß entstieg ein sehr realer, metallisch-erdiger Geruch. Außerdem bemerkte Jo plötzlich, dass ihre Haut nach der grässlichen Pottasche stank und sich der Rauch des Holzfeuers und der glimmenden Kohlen in ihren Haaren festgesetzt hatte. Die Wolldecke kratzte sehr wirklichkeitsnah an ihren nackten Armen und Beinen.
Verzweiflung erfasste Jo. Heftig redete sie dagegen an: »Vielleicht ist es ja auch kein Traum, sondern wir liegen im Koma, und unser Unterbewusstes ruft alle Sinneseindrücke ab, die wir jemals hatten. Deshalb erscheinen sie uns so intensiv. Ach, verdammt …« Nur mit Mühe konnte sie verhindern, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen. Es wäre einfach unvorstellbar schrecklich, wenn sie sich tatsächlich im Mittelalter befinden würden. Wie immer, wenn sie sich unsicher und verletzlich fühlte, suchte sie ihr Heil im Angriff. »Aber falls wir wirklich im Koma liegen sollten, dann ist das allein Ihre Schuld. Wenn Sie mir nicht ins Lenkrad gegriffen hätten, hätte ich es bestimmt geschafft, den Wagen heil zum Stehen zu bringen.«
»Wenn ich das nicht getan hätte, würden wir jetzt höchstwahrscheinlich überhaupt nicht mehr existieren«, fuhr Lutz Jäger sie aufgebracht an. Zum ersten Mal, seit Jo ihn kannte, streifte er seine nonchalante Schale ab. »Weder in einem Traum noch in einem Koma oder im Mittelalter. Es wäre das Vernünftigste gewesen, den Passat frontal gegen den Anhänger prallen zu lassen. Die Airbags hätten uns schon vor dem Schlimmsten bewahrt. Stattdessen müssen Sie wie wild herumlenken und …«
»Als ob die Airbags uns bei einem derartigen Aufprall das Leben gerettet hätten!«
Lutz Jäger ignorierte ihren Einwand. »Außerdem … Wenn Sie nicht versucht hätten, Ihren Beziehungszwist mit dem Herrn Oberstaatsanwalt Friedhelm Seidel« – er sprach den Titel betont spöttisch aus – »ausgerechnet während einer Autofahrt zu klären, hätten Sie ja vielleicht noch rechtzeitig reagieren können. Ich mag Seidel ja nicht besonders, aber in einem hat er recht: Sie haben einen Kontrollwahn.«
Jo stand auf und fixierte Lutz Jäger mit kaltem Blick. »Noch nicht einmal im Traum möchte ich mich in einem Raum mit Ihnen aufhalten. Tun Sie mir also den Gefallen und verschwinden Sie!«
»Ganz wie Sie wünschen.« Lutz Jäger neigte leicht den Kopf. »Falls Sie aber zu dem Schluss kommen sollten, dass Sie meine Hilfe doch benötigen, um wieder in die Gegenwart zurückzukehren, finden Sie mich in der Kornmühlengasse in der Grünen Traube .«
»Ganz bestimmt suche ich Sie nicht auf.«
»Oh, es ist eigentlich auch keine Gegend, in die eine Dame mit gutem Ruf sich wagen sollte.« Lutz Jäger winkte ihr noch einmal kurz zu. Dann schritt er aus dem Raum und schloss die Tür betont sanft hinter sich.
Jo ballte die Hände zu Fäusten. Sie musste aus diesem vermaledeiten Traum erwachen. Und sie würde dies schaffen! Auch ohne Lutz Jägers Hilfe. Als sie sich sicher war, dass er das Haus verlassen hatte, machte sie sich auf den Weg zu ihrem Schlafzimmer.
Während sie die Halle durchquerte, stutzte sie plötzlich. Ja, tatsächlich, sie bewegte sich anders als sonst. Weniger schnell und zielgerichtet. Mehr aus der Hüfte heraus. Fast lasziv. Jo schluckte und blieb am Fuß der Treppe stehen. Langsam ließ sie ihre Hände an ihrem Körper hinabwandern. Nicht nur ihre Brüste waren größer geworden. Auch ihr Becken war zweifelsohne breiter. Außerdem hatte sie das Gefühl, dass sie kleiner geworden war. Ob sich auch ihr Gesicht verändert hatte? Sie rannte die Stufen hinauf.
Katrein hatte auf sie gewartet. »Oh, Herrin«, die Magd sprang auf, als Jo ins Zimmer gestürzt kam, und rang die Hände, »Ihr dürft Sitte und Anstand nicht außer Acht lassen. Bitte, hört das nächste Mal auf meinen Rat. Ihr seid eine Witwe und müsst an das Gerede der Leute denken …«
»Gibt es hier irgendwo einen Spiegel?«, unterbrach Jo ihren Redefluss.
»Ihr wollt einen Spiegel?«
»Ja, ich möchte sehen, ob sich mein Aussehen durch die Krankheit verändert hat.«
»Ihr seid magerer und blasser geworden. Das kann auch ich Euch sagen.« Brummelnd öffnete Katrein eine Truhe und kramte darin herum.
Die
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