Dreikönigsmord (German Edition)
Lederschürze ab und trat zu ihr. »Schön, nicht wahr? Und gute Qualität. Die hat ein junger Mann gefertigt, der hin und wieder als Aushilfe bei mir arbeitete …«
»Ihr habt eine Aushilfe beschäftigt?« Jo wagte kaum zu glauben, dass ihre Suche endlich erfolgreich sein könnte.
»Ja, mein Gatte ist im letzten Winter gestorben. Seither komme ich allein mit der Arbeit kaum nach. Und der junge Kerl, Anselm – eigentlich wirkt er auf mich immer mehr wie ein Junge als ein Mann, auch wenn er sein Handwerk beherrscht –, verlangt nicht viel Lohn.«
»Genau so einen Burschen suche ich.« Lutz Jäger bückte sich unter der Tür hindurch. Sein Mantel war auf der Brust von Schnee gesprenkelt, anscheinend hatte er Bekanntschaft mit einem Schneeball gemacht. »Der Kerl ist mir noch eine Zeche schuldig.«
Das eben noch freundliche Gesicht der Frau verfinsterte sich. Sie stemmte die Hände in die Hüften und funkelte ihn an. »So, Lutz Jäger, Wirt der berühmten Grünen Traube ! Wie könnt Ihr hierherkommen und mir etwas von einer unbezahlten Zeche erzählen? Seit über einem Monat seid Ihr mir noch das Geld für ein Dutzend Tonbecher schuldig! Meint Ihr etwa, ich hätte das vergessen?«
»Oh …« Lutz Jäger wirkte so verlegen, dass Jo sich nur mit Mühe das Lachen verkneifen konnte. Er fing sich jedoch gleich wieder. »Ihr könnt mir wirklich glauben – ich bin auch zu Euch gekommen, um meine Außenstände zu bezahlen«, erklärte er würdevoll.
»Ach, tatsächlich?«, erwiderte die Töpferin spöttisch. »Nun, dann solltet Ihr Euren Worten Taten folgen lassen. Einen Gulden seid Ihr mir noch schuldig.«
»Ja, ich finde auch, Ihr wirkt ein wenig überrumpelt«, konnte Jo sich nicht verkneifen zu sagen.
Lutz Jäger warf ihr einen bösen Blick zu, während er hastig in seinem Geldbeutel zu kramen begann. »So, ich hoffe, Ihr seid nun zufrieden«, bemerkte er, nachdem er eine Münze nach der anderen auf die ausgestreckte Hand der Töpferin gezählt hatte. »Wärt Ihr nun vielleicht so gütig, mir etwas über Eure Aushilfe zu erzählen?«
Die Miene der Töpferin wurde merklich milder.
Im Grunde genommen , dachte Jo, mag sie meinen Kollegen. Wie fast alle Frauen.
»Sehr viel kann ich Euch nicht über Anselm sagen.« Die Töpferin zuckte mit den Schultern. »Er ist sehr scheu. Anfang Oktober kam er in meine Werkstatt und fragte, ob ich ihm Arbeit geben könnte. Ich ließ ihn einige Schalen und Becher zur Probe drehen. Mit dem Ergebnis war ich mehr als zufrieden.« Mit einem Lächeln deutete sie auf die blaue Schale, die Jo immer noch in den Händen hielt. »Von da an kam er fast jeden Tag. Manchmal blieb er aber auch eine ganze Woche lang weg.«
»Und das hat Euch nicht gestört?«, unterbrach Lutz Jäger sie behutsam.
Die Töpferin seufzte. »Ich habe sehr schnell begriffen, dass Anselm kein Mensch ist, den man halten kann. Er hat etwas Ruheloses, Getriebenes an sich … Wahrscheinlich hat er schlimme Dinge erlebt …«
So ähnlich hat die Äbtissin das auch gesehen, ging es Jo durch den Kopf.
»Vor gut zwei Wochen war er das letzte Mal hier. Erst dachte ich mir nichts dabei, als er nicht mehr kam«, erklärte die Töpferin weiter. »Aber inzwischen glaube ich, dass er weitergezogen ist. Jedenfalls hoffe ich, dass ihm nichts zugestoßen ist …«
Dieser Fall war allerdings tatsächlich eingetreten … Jo überlegte kurz, ob sie der Frau mitteilen sollten, dass Anselm ermordet worden war, entschied sich jedoch dagegen. Das würde nur zu vielen Fragen führen. Es war besser, wenn es sich nicht in der Stadt verbreitete, dass sie und Lutz Jäger Nachforschungen über einen Toten anstellten.
Immerhin schien ihr Kollege das genauso zu sehen, denn er fragte: »Könnt Ihr mir denn jemanden nennen, der mir Auskunft über den Jungen geben könnte? Ich meine, was er, außer bei Euch an der Töpferscheibe zu sitzen, sonst noch in der Stadt getrieben hat …«
Das runde Gesicht der Töpferin wirkte nun verschlossen. »Nein, das kann ich nicht. Wie ich Euch schon sagte, ich weiß so gut wie nichts über den Jungen.«
Und wenn du etwas über ihn wüsstest, dann würdest du es uns nicht sagen , dachte Jo. Denn du mochtest ihn und willst ihm keinen Ärger bereiten. Sie überlegte, wie sie der Frau vielleicht doch noch eine Auskunft entlocken könnten, als die Tür aufflog und zwei Kinder – ein Junge und ein Mädchen im Alter von etwa sechs und acht Jahren – in den Raum gestürmt kamen.
»Mutter … Mutter, wir haben
Weitere Kostenlose Bücher