Dreikönigsmord (German Edition)
Werner, ich habe dir, glaube ich, schon von ihm erzählt … hat ein fantastisches Ballgefühl. Im 21. Jahrhundert könnte er es mit etwas Glück wahrscheinlich mindestens bis in die dritte Liga schaffen.«
»Du hast mir eine Nachricht geschickt, dass du mich unbedingt sprechen musst«, erinnerte ihn Jo.
»Ja.« Lutz nickte und wurde ernst. »Jörg Schreiber ist tatsächlich der Besitzer des Männerbordells. Ein paar Freunde und ich haben seinen Geschäftsführer letzte Nacht entführt und ein bisschen unter Druck gesetzt.«
»Unberechtigte Gewaltanwendung«, meinte Jo nachdenklich. »Freiheitsberaubung …«
Lutz grinste. »Ehrlich gesagt, du wirkst nicht so, als ob du das sehr verurteilen würdest.«
»Irgendwie verrohe ich in dieser Zeit moralisch immer mehr …«
»Es war nicht schwer, den Kerl zum Reden zu bringen. Das Androhen von Prügeln hat genügt. Ein Muskelprotz, aber ohne Mumm.«
»Ah ja?«, erwiderte Jo etwas pikiert, die sich daran erinnerte, wie Wolfram sie bei ihren Ermittlungen auf die Gasse befördert hatte.
»Also, um unsere bisherigen Erkenntnisse aufzuzählen …« Lutz beugte sich vor. »Anselm und Frowin arbeiteten als Lustknaben für Jörg Schreiber. In der Nacht nach dem Mord an Frowin haben wir Schreiber zusammen mit Pater Kolonat in der Gertrudiskirche gesehen. Pater Kolonat wiederum war Anselms Freier und bereit, viel Geld für dessen Dienste zu bezahlen. Außerdem handelt Schreiber mit Reliquien. Anselm stammte aus der Gegend um Worms. Worms und Ebersheim hatten einen Streit wegen der Reliquie der heiligen Gertrudis, und in die Verhandlungen, die den Streit beilegten, war Schreiber involviert.«
»Vielleicht hat Schreiber die Reliquie gestohlen – oder stehlen lassen – und sie an Worms oder einen anderen Interessenten verkauft. Vielleicht wusste Anselm ja davon«, spann Jo seinen Gedanken weiter. »Womit wir ein weiteres Tatmotiv entdeckt hätten.«
»Und Frowin musste möglicherweise sterben, da er wiederum darüber etwas wusste.« Lutz nickte.
Jo dachte einige Momente über das Gesagte nach, während sie an ihrer Unterlippe kaute.
»Irgendetwas beschäftigt dich doch?«, fragte Lutz.
»Ach, irgendwie passt das mit Schreiber, diesem Pater Kolonat, Anselm, Frowin und dem aufgebrochenen Reliquiengehäuse alles zu gut zusammen.«
»Optimismus ist nicht gerade deine Stärke, was?«
Im Fall des Serienvergewaltigers bin ich mir viel zu sicher gewesen, ging es Jo durch den Kopf. Zu ihrer Erleichterung schien ihr Kollege nicht daran zu denken. Nein, sie wollte jetzt wirklich nicht auf ihr Versagen zu sprechen kommen.
»Möglicherweise handelt es sich bei den Morden ja auch um Lustmorde«, wandte sie ein und bemühte sich, das leichte Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Auch wenn an Anselms und Frowins Leichen zumindest äußerlich keine Vergewaltigungsspuren festzustellen waren und ihre Kleidung nicht zerrissen war.«
»Du hast recht. Ein sexuelles Motiv ist nicht ganz auszuschließen.« Lutz nickte. »Vielleicht haben wir es ja mit einem Mörder zu tun, der seine Lust aus dem Töten junger Männer bezieht. Andererseits … Hätte er dazu wie im Fall von Anselm wirklich das Licht aus der Apsis benötigt?«
»Vielleicht wollte er Anselms Gesicht im Todeskampf sehen …« Ein flaues Gefühl breitete sich in Jos Magen aus. »Jedenfalls müssen wir unbedingt noch weitere Reliquiengehäuse untersuchen und feststellen, ob daran auch manipuliert wurde«, fuhr sie nach einer kurzen Pause fort, froh darüber, sich wieder auf sicherem Grund zu bewegen. »Außerdem werde ich morgen wieder einmal unsere Äbtissin aufsuchen. Vielleicht kann sie uns, was die Reliquien betrifft, irgendwie weiterhelfen.«
»Dann entbiete der alten Dame meine besten Grüße und richte der Köchin aus, dass ich von ihrem Plätzchenrezept wirklich begeistert bin. Du isst übrigens gerade davon. Nur, um dich ganz am Rande darauf aufmerksam zu machen.«
Von draußen war immer noch das Gebrüll der Spieler zu hören. Jo spürte die Wärme der Flammen und den Geschmack von Zimt und einem Hauch Muskat auf ihrer Zunge. Das 21. Jahrhundert war plötzlich sehr weit weg. Sie entspannte sich. »Ja, die Kekse schmecken wirklich toll. Besser als die, für die ich gestern den Teig gerührt habe.« Sie nahm sich ein weiteres Plätzchen und gähnte. »Jedenfalls bin ich dafür, dass wir einen Teil der Reliquiengehäuse bei Tag untersuchen. Ich brauche meinen Schlaf und kann mir nicht jede Nacht um die Ohren
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