Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
du nicht, Mecha?«
Mit lebhaften Augen studierte der Komponist die Männer an den Tischen und am Tresen, die tatsächlich aussahen, als wären sie zu jeder Schandtat bereit: breitkrempige, tief ins Gesicht gezogene Hüte, pomadisiertes, fettglänzendes, bis über den Kragen reichendes Haar, Jacken mit geringelten Strickbündchen im Stil schwerer Jungs, kurze Jacketts ohneSchlitz, spitze Stiefeletten. Jeder mit einem Glas Grappa oder Cognac oder einem Krug Gin vor sich, eine qualmende Avanti im Mund, und einer Ausbuchtung im Hosenbund oder am Armausschnitt der Weste, wo sich das Messer verbarg.
»Gefährlich aussehen tun die alle«, stellte de Troeye fest.
»Manche können es auch werden. Deshalb rate ich Ihnen, sie nicht so anzuglotzen. Auch die Frauen nicht, wenn sie mit ihnen tanzen.«
»Allerdings scheut sich niemand, mich anzuglotzen«, sagte Mecha Inzunza belustigt.
Max drehte den Kopf und sah sie im Profil, während sie mit neugierigem, furchtlosem Blick den Raum inspizierte.
»Darauf müssen Sie an einem solchen Ort nun einmal gefasst sein. Hoffen wir, dass es beim Glotzen bleibt.«
Die Frau lachte verhalten, fast ein wenig unangenehm. Dann wandte sie sich ihm zu.
»Sie machen mir ja Angst, Max«, sagte sie von oben herab.
»Das glaube ich nicht.« Ruhig hielt er ihrem Blick stand. »Offen gestanden, bezweifle ich, dass Ihnen so etwas Angst macht.«
Er holte sein Etui hervor und bot dem Ehepaar Zigaretten an. De Troeye schüttelte den Kopf und zündete sich eine von seinen eigenen an. Mecha Inzunza nahm eine Abdul Pashá, steckte sie in ihr Mundstück und beugte sich zu Max hinüber, der ihr mit einem Streichholz Feuer gab. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, kreuzte die Unterschenkel, blies die erste Rauchschwade in die Luft und betrachtete die tanzenden Paare.
»Wie unterscheidet man die Prostituierten von denen, die keine sind?«, wollte Mecha Inzunza wissen.
Gleichgültig ließ sie die Asche auf die Holzdielen fallen, während sie eine Frau beobachtete, die mit einem beleibten, doch erstaunlich leichtfüßigen Mann tanzte. Sie war nochjung, mit slawischen Zügen. Ihr zum Knoten gestecktes Haar hatte die Farbe von Altgold, und ihre hellen Augen waren rauchig geschminkt. Sie trug eine weiß-rot geblümte Bluse mit wenig Wäsche darunter. Der zu kurze Rock flatterte beim Tanzen und enthüllte gelegentlich eine zusätzliche Handbreit schwarzbestrumpftes Bein.
»Das ist nicht immer leicht«, antwortete Max, ohne die Tänzerin aus den Augen zu lassen. »Erfahrungssache, nehme ich an.«
»Haben Sie viel Erfahrung darin, Frauen zu unterscheiden?«
»Genug.«
Als die Musik endete, hörten der Dicke und die Frau auf zu tanzen. Der Mann wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß vom Gesicht, und die Blonde setzte sich wortlos an einen Tisch, zu einer anderen Frau und einem anderen Mann.
»Die, zum Beispiel«, fragte Mecha Inzunza. »Ist sie eine Prostituierte, oder tanzt sie nur, wie Sie auf der Cap Polonio?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Max mit einem Anflug von Gereiztheit. »Ich müsste sie aus der Nähe sehen.«
»Dann gehen Sie näher ran.«
Er betrachtete die Glut seiner Zigarette, als wollte er prüfen, ob sie richtig brannte, dann zog er maßvoll daran und blies langsam den Rauch aus.
»Später vielleicht.«
Das Orchester hatte ein neues Stück in Angriff genommen, und die Paare begannen wieder zu tanzen. Manche Männer hielten die linke Hand mit der Zigarette hinter den Rücken, damit der Rauch ihre Partnerin nicht störte. Lächelnd, hochzufrieden, passte Armando de Troeye auf, dass ihm nichts entging. Zweimal sah Max, wie er einen kleinen Bleistift zückte und in winzigen, dicht gedrängten Buchstaben etwas auf seine gestärkte Hemdmanschette schrieb.
»Sie hatten recht«, sagte der Komponist. »Der Tanz istschneller. Weniger präzise in der Ausführung der Figuren. Und die Musik ist anders.«
»Das ist die alte Garde.« Max war froh, das Thema wechseln zu können. »Die tanzt, wie sie spielt: schneller und abgehackter. Und achten Sie auf den Stil.«
»Und ob ich darauf achte! Herrlich versaut.«
Mecha Inzunza drückte ihre Zigarette heftig in den Aschenbecher. Mit einem Mal wirkte sie verstimmt.
»Sei nicht billig.«
»Ich fürchte, das ist der richtige Ausdruck, Liebste. Sieh nur ... Es ist fast erregend, ihnen zuzuschauen.«
Das Grinsen des Komponisten wurde breiter, begehrlich und zynisch. Max spürte, dass etwas in der Luft lag. Ein wortloser Austausch
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