Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
einander näher waren als beim gewöhnlichen Tango, zwischen den Körpern jedoch ein maßvoller Abstand gewahrt blieb. Man könnte meinen, dachte Max, sie hätten schon öfter zusammen getanzt, doch wenn er sich daran erinnerte, wie mühelos sich Mecha Inzunza auf der Cap Polonio auch ihm angepasst hatte, empfand er es nicht als verwunderlich. Sie war zweifellos eine sehr intuitive, intelligente Tänzerin und imstande, sich von jedem führen zu lassen, der gut tanzte. Ihr Partner trug selbstbewusste Männlichkeit zur Schau und dirigierte sie mit Gewandtheit, während ihre Füße schnelle, verschlungene Linien in ein unsichtbares Pentagramm zu zeichnen schienen. Im nächsten Moment wiegte sich das Paar sanft, wobei die Frau im Takt der Musik den stummen Anweisungen seiner Hände und Gebärden gehorchte. Plötzlich machte er einen corte , hob lässig die rechte Ferse vom Boden, beschrieb mit der Fußspitze einen Kreis, und Max sah verblüfft, wie Mecha Inzunza die Drehung ganz selbstverständlich vervollständigte, von einer Seite zur anderen glitt, wobei sie sich zweimal eng an den Körper ihres Tänzers presste, um dann, nach einer Schrittkombination, bei der sich ihre Beine in bester Vorstadtmanier mit den seinen kreuzten, wieder auf Distanz zu gehen. Sie würzte die gelungene Figur nach allen Regelnder Kunst mit so viel Anmut, dass an den Tischen beifällige Kommentare laut wurden.
»Mannomann«, witzelte Armando de Troeye. »Sie werden es doch hoffentlich nicht hier in aller Öffentlichkeit treiben wollen.«
Die Bemerkung missfiel Max, der eben noch Mecha Inzunzas Ungezwungenheit bewundert hatte, und verdarb ihm die Laune. Der compadrón führte sie selbstverliebt, mit einem leeren Blick aus seinen dunklen Augen und einer aufgesetzten Gleichgültigkeit hinter dem Schnurrbart, als wäre der Umgang mit Frauen dieses Standes für ihn an der Tagesordnung. Unvermittelt trat er im Takt der Musik einen Schritt zur Seite und kam mit einem bedeutungsvollen Aufstampfen in würdevoller Pose abrupt zum Stehen. Ohne sich im Geringsten aus dem Konzept bringen zu lassen, fast als wäre sie darauf vorbereitet gewesen, umkreiste Mecha ihn, wobei sie sich hingebungsvoll an seinen Körper schmiegte. Mit der Fügsamkeit eines unterwürfigen Weibes, die Max schon beinahe schamlos erschien.
»Großer Gott«, hörte er Armando de Troeye murmeln.
Max wandte sich dem Komponisten halb zu und stellte ungläubig fest, dass er nicht verärgert wirkte, sondern selbstvergessen dem tanzenden Paar zuschaute. Wieder und wieder trank er von seinem Gin, und der Alkohol verlieh seinem Lächeln einen Zug von sardonischer Genugtuung. Doch blieb dem Eintänzer nicht viel Zeit, darüber nachzudenken, denn die Musik war zu Ende, und die Tanzfläche leerte sich. Auf hochmütig klappernden Absätzen kam Mecha Inzunza zum Tisch zurück, gefolgt von ihrem Tanzpartner. Nachdem sie Platz genommen hatte, verbeugte sich der compadrón leicht und tippte an seine Hutkrempe.
»Juan Rebenque, gnädige Frau«, sagte er ruhig mit heiserer Stimme. »Zu Ihren Diensten.«
Daraufhin machte er kehrt, ohne den Ehemann oder Maxeines Blickes zu würdigen, und schlenderte zu dem Tisch hinüber, an dem die beiden Frauen saßen. Und als Max ihn davongehen sah, hatte er das Gefühl, dass dies nicht sein richtiger Name war – vermutlich hieß er Funes, Sánchez oder Roldán –, sondern ein Spitzname nach Gaucho-Manier, so rückständig wie seine Aufmachung oder das Messer unter seiner Jacke. Die echten Typen, denen er nachzueifern versuchte, waren seit fünfzehn oder zwanzig Jahren aus der Gegend verschwunden, und der Revolver hatte schon lange den Dolch ersetzt. Wahrscheinlich handelte es sich bei diesem Rebenque um einen Fuhrmann, der sich nachts in zwielichtigen Spelunken herumtrieb, Tango tanzte, sich ein paar Nutten hielt und ab und zu ein altmodisches Messer zückte, um seine Männlichkeit zu beweisen. Bei Typen seines Schlages, kleinen Vorstadtganoven, war es mit der alten Ritterlichkeit nicht weit her, was an ihrer Gefährlichkeit jedoch nichts änderte.
»Sie sind dran«, sagte Mecha Inzunza, zu Max gewandt.
Sie hatte eine lackierte Puderdose aus ihrer Tasche genommen. Auf ihrer Oberlippe perlten winzige Schweißtropfen über ihr dezentes Make-up. Unwillkürlich bot Max ihr das saubere Einstecktuch an, das er in der Brusttasche seines Jacketts getragen hatte.
»Wie bitte?«, fragte er.
Ihre Finger fassten nach dem weißen Batisttüchlein.
»Sie wollen es doch
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