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Dreimal Liebe

Dreimal Liebe

Titel: Dreimal Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bartsch
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bewegte sich nicht, lag vollkommen regungslos da. Der Kopf war zur Seite gedreht, die Augen halb geöffnet, aber sie blinzelten nicht. Das einst so reine Haarkleid war übersät mit tiefroten Flecken, verklebt mit dem dunkelgrauen Staub der Straße. Joel hatte Cecile gefunden.
    Er dachte an gestern, als sie im einfallenden Sonnenlicht auf der Fensterbank gesessen war und sich geputzt hatte. Stundenlang. So edel, viel zu fein für die schmutzige Umgebung der Lagerhalle. Und nun lag sie vor ihm, überfahren und weggeworfen wie eine Tüte Müll. Das feine Fell stumpf und spröde, der Blick glasig und in die unendliche Leere gerichtet. Nichts erinnerte mehr an die elegante Gestalt, die sich noch gestern auf Samtpfoten durch diese Welt bewegt hatte. Nichts unterschied Cecile jetzt mehr von anderen Katzen.
    Im Tod sind alle gleich , dachte sich Joel. Und ein seltsames Gefühl von Frieden umgab ihn für die Dauer eines Windhauchs.
    »Joel? Hast du etwas gefunden?«
    Er regte sich nicht. Die Arme schwer wie Blei herunterhängend, stand er da und starrte auf die Überreste von Louis’ Lebensinhalt.
    »Joel?« Langsam schritt sie auf ihn zu.
    Als sie auf seiner Höhe war, erstarben ihre Schritte. Sie schlug sich die Hand vor den Mund und schüttelte den Kopf. »Nein, oh Gott, nein … Nein!« Wie benommen wollte sie auf die Katze zugehen, doch Joel hielt ihren Arm fest. »Sie ist nicht erst seit zehn Minuten tot«, sagte er.
    Cathy und blickte hoch, in diese blauen Augen, die sie so bestimmt und gleichzeitig matt ansahen, und ließ sich schließlich sanft von Joel auf die andere Straßenseite geleiten. Dort setzten sich die beiden auf den Bordstein und schwiegen.
    Joel, das Gesicht in die Hände gestützt, hörte das leise Schniefen neben sich, und spürte, wie die Kälte der hereinbrechenden Nacht immer mehr an ihm zu zerren begann. Er sah das Gesicht seines Freundes vor sich, seine braunen Augen, die ohne Worte die Frage nach Cecile stellen würden. Es war immer nur dieser Moment in seinem Kopf, der sich wie eine Endlosschleife in seinen Gedanken wiederholte, und immer dann aufhörte, sobald Joel ihm die Antwort geben müsste.
    Der Junge spürte das Zittern neben sich, das ihn von seinem eigenen Frieren ablenkte. Er blickte zu Cathy, die sich mit dem Ärmel die Nase abwischte. Ihr Gesicht war verquollen. »Wir sollten gehen«, sagte er.
    Cathy schniefte. »Was wirst du ihm sagen?«
    Joel blickte zu seinen Füßen. »Die Wahrheit.«
    »Was?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das kannst du nicht. Das wird er nicht verkraften!«
    Joel fuhr mit dem Daumen über seinen Handrücken. »Ich weiß«, flüsterte er.
    »Das darfst du nicht tun, wir erzählen ihm irgendetwas anderes.«
    »Jeder Mensch hat ein Recht auf Wahrheit«, sagte er.
    »Aber manchmal ist eine Lüge besser als die Wahrheit.«
    »Nein, Cathy«, antwortete er leise. »Die Wahrheit mag wehtun. Sehr weh sogar. Aber eine Lüge vergiftet.«
    Sie sah auf ihre Finger und sagte nichts mehr.
    Nach einer Weile stand Joel auf, wartete, bis er die leisen Schritte des Mädchens hinter sich hörte und sie zu ihm aufgeschlossen hatte. Den Blick auf den Boden gesenkt, wandelte er still neben ihr her. Hin und wieder streiften sich ihre Oberarme und Joel spürte, wie warm diese Berührung im Vergleich zur Nacht war.
    Vor der Halle wurden sie beide automatisch langsamer, bis ihre Schritte gänzlich erstarben.
    »Willst du es dir nicht doch noch überlegen?«, fragte Cathy.
    »Ich würde es mir sehr gerne überlegen, aber ich kann‘s nicht. Er ist mein Freund.« Joel blickte für einen Moment in Cathys Augen, dann drückte er die Klinke zur Halle hinunter.
    Louis saß im Schneidersitz auf seinem Schlafsack und hob das verweinte Gesicht. Seine Augen trugen genau den Ausdruck, den Joel sich in seinen Vorstellungen ausgemalt hatte. Als er ihn erreichte, ging er vor ihm in die Hocke und wich seinem Blick aus.
    »Ha-hast du Ce-Cecile nicht gefunden?«
    Joel spürte eine Hand, die sich auf seine Schulter legte und sanft zudrückte. Cathy . Er atmete tief durch.
    »J-J-Joel?«
    »Doch«, antwortete er schließlich mit dünner Stimme. »Wir haben sie gefunden.«
    »Wirklich?« Louis begann zu strahlen und richtete sich ein bisschen auf. »W-W-Wo ist sie?«
    Joel räusperte sich. »Sie ist …«
    »Ja?«, fragte Louis.
    Irgendetwas war da in Joels Hals, das sich nicht runterschlucken ließ und sich von Sekunde zu Sekunde mehr verkantete.
    »Sie ist …« Seine Zunge klebte am Gaumen fest,

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