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Dreimond - Das verlorene Rudel

Dreimond - Das verlorene Rudel

Titel: Dreimond - Das verlorene Rudel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viola L. Gabriel
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einzelne zornige Rufe zu vernehmen waren. »Alles, was ich sagen möchte«, fuhr er ein wenig lauter fort, »ist, hat der da wirklich noch das Recht dazu …?«
    Mit diesen Worten verbeugte er sich vor Dornstern.
    Doch bevor sich Kaltschnauze noch auf seinem Sitz niedergelassen hatte, ertönte Alkarns markante Stimme.
    »Und du hast nicht das Recht, diese Verhandlung zu stören. Merke dir das!«
    Kaltschnauze stutzte, vermied offensichtlich eine Entgegnung und verneigte sich tief vor seinem Anführer. Dornsterns und Neuschnees Blicke kreuzten sich.
    Serafin konnte seine Augen nur schwer von diesen beiden so unterschiedlichen Wölfinnen abwenden. Der dunkelrote Fellumhang und die auffällige Schminke machten das Gesicht der weißen Wolfsfrau noch schmaler als sonst, die hellen Haare waren straff zurückgebunden, unter ihren Augen lagen tiefe Schatten. Der Schein der Fackeln zuckte über Neuschnees beinahe wächserne Züge und ließ sie seltsam starr erscheinen. Sie fürchtete sich, durchfuhr es ihn. Sie hatte große Angst. Aber warum?
    Ganz anders Dornstern in ihrem üppigen, nachtblau schimmernden Fellüberwurf. Zwar zeugte ihr hageres Äußeres nur zu deutlich von den kräftezehrenden Aufgaben als Orakel, doch strahlte ihr Gesicht, umrahmt von zwei bunten perlenbesetzten und federgeschmückten Ohrringen, eine seltsame Stärke aus. Ihre schmalen, pechschwarzen Augen, die einen förmlich zu durchdringen schienen, und vor denen die meisten den Blick senkten, glühten.
    Jetzt ging die Hohe Richterin den Kreis, den die Rudelmitglieder gebildet hatten, gemessenen Schrittes ab. Es war, als ob sie jeden Einzelnen von ihnen fixierte. Abrupt wandte sie sich zu Serafin um und sah auch ihn fest, ja beinahe unerbittlich an.
    »Knie nieder, Angeklagter!« Ihre dunkle Stimme klang ruhig und tief.
    Serafin gehorchte. Doch als er sie so vor sich stehen sah, musste er plötzlich an den Morgen jenes Tages denken, der wie so viele andere begonnen, und unerbittlich wie unwiderruflich das Ende seines Lebens als Schattenklaue eingeleitet hatte.
    Mit Dornstern, die damals noch nicht den schweren Richterumhang hatte tragen müssen, war er nach einer erfolgreichen nächtlichen Jagd auf dem Heimweg zur Rotburg gewesen. Während er den erlegten Rehbock geschultert hatte, war sie flink vorangelaufen. Die aufgehende Sonne hatte ihr damals noch langes lockiges Haar goldbraun gefärbt. Ihr Gesicht war fast noch das eines Kindes gewesen.
    Nicht so bitter …
    Nicht so ernst …
     
    *
     
    »Na komm schon, Schattenklaue! Worauf wartest du?«
    Schwungvoll warf Dornstern ihren Lockenschopf zurück, um ihm ein breites, aufmunterndes Lächeln zu schenken. Er war ein gutes Stück zurückgeblieben. Der tote Rehbock, den sie für die Kinder des Rudels erlegt hatten, wog schwer auf seinen Schultern.
    »Du könntest mir beim Tragen helfen …«, schlug er seiner Jagdgefährtin wenig hoffnungsvoll vor. Sie grinste schelmisch.
    »Hatten wir nicht ausgemacht, dass der bessere Jäger die Beute eben nicht zu schleppen braucht? Und wer von uns beiden hat noch gleich das Tier erlegt? Na, Schattenklaue?«
    Er seufzte. Der Wald war Dornsterns Element.
    »Ich muss gestehen, als Jägerin bist du unschlagbar …«
    »Recht so!« Sie lachte, schlenderte noch ein Stück weiter und ließ sich in die Tannenadeln fallen.
    »Naja, für eine kleine Pause haben wir schon noch Zeit«, verkündete sie gönnerhaft ihrem erstaunten Gefährten.
    Vorsichtig legte er die Jagdbeute ab und setzte sich neben die Wolfsfrau.
    »Es ist ja nicht so, dass sie in der Rotburg dringend auf uns warten würden …«, sagte sie plötzlich bekümmert. »Alkarn hat zurzeit andere Sorgen.«
    Dornstern nahm eine Handvoll Tannennadeln und ließ sie langsam durch ihre Faust zu Boden rieseln.
    »Wie stehst du dazu?«
    Sie flüsterte beinahe.
    Schattenklaue hatte nicht erwartet, dass selbst Dornstern, die sich sonst wenig für die Entscheidungen, die hoch oben im Roten Turm gefällt wurden, interessierte, über Alkarns großen Schachzug sprechen wollte. Andererseits, wessen Gedanken kreisten in diesen Zeiten nicht um das Satorakt, jenes Artefakt, das die Schwarze Kohorte, der Zusammenschluss der mächtigsten Krieger des Rudels, vor drei Wochen aus Lanzburg gestohlen hatte. Alkarn selbst hatte den Raubzug angeführt.
    »Ich«, antworte Schattenklaue zögernd, »vertraue ihm … Ja! Ich vertraue auf Alkarns Entscheidung.«
    Erwartungsvoll sah Dornstern ihn an. Ihre schwarzen Augen verengten sich, als

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