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Dreimond - Das verlorene Rudel

Dreimond - Das verlorene Rudel

Titel: Dreimond - Das verlorene Rudel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viola L. Gabriel
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gepresst. Er wusste, dass sein Leben als Schattenklaue zu Ende war, als er den Jungen mit sich nahm. Und das Leben eines anderen neu begann; Carras’.
     
    *
     
    »Warum bist du geflohen?«, wiederholte Dornstern unnachgiebig ihre Frage.
    Serafin zögerte. Er wollte Carras nicht erwähnen, wollte die Aufmerksamkeit der Wölfe nicht auf den Jungen lenken.
    »Es wird wohl Scham gewesen sein«, log er schließlich. Es tröstete ihn, dass, egal was für ein Ende dieser Tag für ihn nehmen sollte, zumindest Carras weiterleben würde. Weit fort vom Rudel. In Sicherheit.
     
    *
     
    Besorgt sah Fiona den Wolfsjungen an, der die Gruppe ängstlich, fast schon übervorsichtig anführte. Je mehr die schützende Dunkelheit der Nacht dem Graublau des Morgens wich, desto mehr schien Carras’ Angst vor heimlichen Beobachtern zu wachsen. Immer mehr spitzwipflige Fichten überzogen die Hänge links und rechts des schmalen Tals, das sie schweigsam durchquerten.
    Fiona spürte, wie Carras’ Unruhe auf sie überging. Fast kam es ihr vor, als wären die Baumriesen über ihr strenge Wächter, die drohend von den Hängen auf die Fremden hernieder starrten. Sie umgriff ihren Stock fest und rückte unauffällig ein Stück näher an Lex heran, der an diesem Morgen als Einziger so etwas wie Zuversicht ausstrahlte.
    Sie war erleichtert, als die baumbesetzten Hügel schließlich abflachten, und der Pfad in ein breites, weit übersehbares Wiesenstück mündete.
    Hier sah sie wenigstens, wer oder was auf sie zukam …
    Als sie aus der Ferne bald erkannte, wo die Wiese endete, begriff sie, dass die starren Bäume an den Hängen nur Vorboten gewesen waren. Wie ein Heer Soldaten reihten sich Hunderte rotbrauner Fichtenstämme aneinander.
    Als wollte er jeden Eindringling zum Teufel jagen, warf der tiefe Nadelwald bald seinen Schatten auf Fiona und ihre Begleiter.
    »Dort drin«, raunte Carras, »lebt die Schwarze Sichel !«
    Lex nickte. »Das ist er also – der Satorwald!«
     
    *
     
    »Es reicht! Es reicht ein für alle Mal«, rief Bluter zornesrot. »Dornstern! Sag mir, wie ich schweigen soll, während dieser feige Verräter … das Gericht missbraucht, um nichts als gemeine Lügen über einen Toten zu verbreiten.«
    »Und über Kaltschnauze!«, zischte Horniss grimmig. Scheinbar gelassen drehte sich dieser zu ihr um und hob beschwichtigend die Hand. »Keine Sorge, Schwester, wer wird dem schon Glauben schenken?«
    »Niemand!«, brüllte Breitborke aus den Zuschauerreihen. »Rotpelz ist ein guter Wolf gewesen!«
    »Ein echter Krieger!«
    »Ein treuer Freund!«
    »Und der da hat nicht mal Beweise!«
    »Ihr habt recht!«, rief Dornstern in die tobende Menge. »Ja, es mangelt an Beweisen! Darum frage ich, gibt es einen unter euch, der die Vorwürfe gegen Kaltschnauze oder Rotpelz untermauern kann?«
    Bei der Erwähnung des Toten hatte sie respektvoll eine Hand auf ihr Herz gelegt.
    »Geht in euch und fragt euch, ob ihr in jener Nacht etwas gesehen habt, das für Schattenklaues Worte spricht?«
    Sie wartete, während sich Stille auf dem Burghof breitmachte, die nur dann und wann von verschwörerischem Murmeln unterbrochen wurde.
     
    *
     
    Neuschnee beugte sich zu Kaltschnauze. »Weißt du, ich habe mich schon immer gefragt, was du in jener Nacht allein vor der Burg zu suchen hattest …«, raunte sie ihm zu.
    Kaltschnauze blickte starr geradeaus, als hätte er ihre Worte nicht vernommen. Schließlich sah er sie mit funkelnden Augen an.
    »Sprich das nur an, meine Liebe.« Sein Flüstern war sanft, beinahe zärtlich. »Und falls jemand fragt, warum eigentlich du so früh unterwegs gewesen bist, nehm’ ich dir gern die Erklärung ab. Ich habe dich und den Verräter aus dem Wald kommen sehen. Seite an Seite. Und oft hab’ ich mir ausgemalt, was ihr beiden dort wohl getan habt …!«
    Kaltschnauze lächelte anzüglich.
    Neuschnee wandte sich angewidert ab.
     
    *
     
    »Neuschnee, Kaltschnauze!«, wandte sich die Hohe Richterin an sie und den Wolfsmann neben ihr. »Ich habe euch sprechen sehen. Habt ihr uns etwas zu sagen?«
    »Nein«, sagte Kaltschnauze samtweich.
    »Nein«, flüsterte Neuschnee, ohne Serafin anzusehen.
    Die Richterin seufzte.
    »Also gibt es keinen, der seine Worte bestätigen kann …?«
    »So ein Lügner hat den Tod verdient!«, tönte eine junge Männerstimme.
    »Tötet ihn!«, echote es aus Dutzenden Mündern.
    »Schweigt!«, rief die Richterin verärgert. »Auf die wichtigste Frage haben wir noch keine

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