Dreimond - Das verlorene Rudel
Satorakt.«
Carras schüttelte verwirrt den Kopf.» Sator-was ?«
»Spiel nicht den Unschuldigen! Du und er, ihr seid damit davongelaufen. Mit dem Zauberding, das deine dreckigen Eltern uns gestohlen haben.«
»Pass auf, was du sagst!«, rief Carras und zuckte erschrocken zusammen. Der Blonde war nach vorn geschnellt und packte ihn am Kragen.
»Du bist die ganze Zeit bei ihm gewesen! Du musst gesehen haben, wie er dieses Ding versteckt hat! Und du wirst mir jetzt auf der Stelle sagen, wo!«
»Nichts werde ich dir sagen!« Er rang nach Luft. »Ich weiß sowieso nicht, wovon du sprichst.«
»Spiel nicht den Helden! Wenn du nichts sagst, bist du bald tot! Genau wie Schattenklaue, dieser miese Feigling.«
Was zu viel war, war zu viel! Brüllend riss sich Carras los, holte aus und schlug mit der Faust, fest wie nie zuvor, zu. Blitzschweif taumelte zwei, drei Schritte zurück, fasste sich an die schmalen Lippen und starrte auf das Blut an seiner Hand.
»Du wagst es, mich zu schlagen? Mich, den Alkarnssohn?«
»Hast du wohl nicht vorausgesehen, wie?«
Carras grinste.
Unglauben wandelte sich in Zorn, Blitzschweif stürzte sich auf ihn, schlug ihm ins Gesicht und stieß ihn von sich. Er prallte gegen die Wand und riss, als er sich abstützen wollte, das Brett mit den Insektenkrügen mit sich zu Boden. Er sah sie fallen und hielt die Hände vors Gesicht, als die Gefäße in tausend Scherben zersprangen.
»Wo ist das Satorakt? Sag es! Wo?«, brüllte Blitzschweif, beugte sich über ihn, zerrte und schüttelte an ihm. Die Lippen des Alkarnssohns waren blutverschmiert, zitterten vor Zorn und Ungeduld. »Rede, oder es wird dir noch leidtun! Wo hat Schattenklaue das verdammte Satorakt versteckt?«
Carras bekam es mit der Angst zu tun. Fieberhaft versuchte er, sich zu erinnern. Damals, der Brunnen, dieses Ding, war das …?
»Blitzschweif! Was in aller Welt tust du da?«
Weder er noch sein Angreifer hatten mitbekommen, wie die Tür aufgerissen worden war. Der Blonde sah sich nicht nach der Wolfsfrau um, die jetzt ins Zimmer eilte.
»Lass mich, Mutter! Ich habe ihn fast so weit!«
»Du hast was? Bist du verrückt geworden …?«, fuhr sie ihn an und riss die beiden auseinander. »Wenn Alkarn davon erfährt …!«
»Mutter, ich …«
»Verlass das Zimmer – auf der Stelle!«
Für einen Moment herrschte Stille.
»Auf der Stelle, sage ich!«
Er ließ von Carras ab und sagte keinen Ton mehr, als er aus dem Zimmer rannte. Die Tür fiel mit einem lauten Schlag ins Schloss.
Carras hob benommen den Blick. Blitzschweif war verschwunden. Stattdessen stand dort Neuschnee mit dem ebenso kalten, blonden Haar und den giftig grünen Augen.
Neuschnee, die Wölfin, die ihm Serafin weggenommen hatte.
*
»… also habe ich Pfauenauges letzten Wunsch erfüllt und ihr Kind unter meine Obhut genommen«, erklärte Serafin erschöpft.
»Und diese Rotaskralle …?«, fragte Fiona atemlos. »Wo hast du die gefunden?«
Ein kurzes Lächeln huschte über seine Lippen. Obwohl er es Lex noch immer zutiefst verübelte, Carras und Fiona in diese missliche Lage gebracht zu haben, tat es beinahe gut, nach der strengen Befragung vor Gericht, während der jedes einzelne seiner Worte auf die Waagschale gelegt worden war, nun dieses Mädchen als Zuhörerin zu haben.
Fiona kniete mit straff aufgerichtetem Oberkörper auf dem Steinboden und ballte ihre Fäuste voller Spannung. Sie trug ihr langes, violettes Kleid. Den groben, braunen Umhang hatte sie über Serafins Schultern gelegt und darauf bestanden, dass er ihn eine Zeit lang umbehielt. In ihrer Neugierde schienen das Mädchen weder die Kälte noch die Tatsache zu stören, dass sie alle hinter verriegelten Türen einer ungewissen Zukunft entgegensahen.
Immer wieder unterbrach Fiona Serafins Erzählung. Und je mehr sie scheinbar von dem begriff, was sich damals zugetragen hatte, desto mehr erhellte sich ihr Gesicht. Sie liebte nun einmal Geschichten …
Serafin fühlte sich auf einmal in die sorglose Zeit versetzt, die er mit ihr und den anderen im alten Forsthaus verbracht hatte. Wie weit schien das alles zurückzuliegen. Wie sehr er sich wünschte, Carras wäre dort geblieben – in Sicherheit.
»Nun sag schon«, warf ihn Fiona unnachgiebig aus seinen Gedanken. »Du musstest doch fliehen! Wie hast du da noch Zeit gehabt, die Kralle zu finden?«
»Das ist es ja. Ich wollte sie nicht. Ich wollte nichts mehr mit dem Zauberding zu tun haben, das Wolf gegen Wolf gehetzt
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