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Dreimond - Das verlorene Rudel

Dreimond - Das verlorene Rudel

Titel: Dreimond - Das verlorene Rudel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viola L. Gabriel
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in diesem Raum wegen des Satorakts gestorben war. Der Gedanke ließ Dornstern erschaudern. Pfauenauge, Rotpelz, Schattenklaue … Wer war Opfer, wer war Täter in dieser Geschichte?
    Hilfe suchend blickte sie hinauf zum Mondlicht, als ihre Lippen endlich die eine, bedeutungsvolle Frage formten.
    »Wenn Schattenklaue weiterlebte, mussten dann noch mehr Wölfe sterben?«
    Dornstern zuckte zusammen, als der Wind schlagartig auffrischte, die schwere , in den Felsen eingelassene Tür aufriss, und mit Wucht das Licht aller Kerzen löschte.
    Schon trat Ehrenpreis in die Höhle und zog die Tür wieder zu.
    »Hohe Richterin, verzeiht die Störung, ich …«
    Dornstern hob die zitternde Hand.
    »Lass es gut sein«, sagte sie benommen. »Ich habe mich entschieden.«
     
    *
     
    Fiona rückte unwillkürlich enger an die Kerkermauern. Etwas lag in der Luft, etwas war im Wandel. Sie hatte das schon einmal erlebt. Von Tag zu Tag wurden Lex und Serafin rastloser, gingen unruhig auf und ab, so als wüssten sie nicht wohin mit ihren Kräften. Ihre Schritte wurden stolzer, ihr Blick wilder, kampfeslustiger. Doch galt das leider, leider nicht nur für die beiden. Auch die Wölfe der Sichel durchlebten die Veränderung.
    Der grauhaarige Wächter, der den Gefangenen Tag für Tag ihr spärliches Essen brachte, hatte Fiona in den ersten Tag kaum eines Blickes gewürdigt. Stumm, ein wenig grimmig – vielleicht, weil er ein Menschenmädchen verköstigen musste – hatte er seine Arbeit so schnell wie möglich hinter sich gebracht, wobei nicht selten die Hälfte des wässrigen Breis, den er ausschenkte, auf dem Boden gelandet war. Nun aber, da der Vollmond näher rückte, musterte der Wolfsmann sie mit völlig neuem Interesse. Sein lauernder Gang war nicht mehr der eines Menschen und Fiona fühlte sich wie das Kaninchen vor der Schlange.
    Gestern erst hatte er plötzlich drei Schritte auf sie zugetan. Lex war dazwischengegangen, und sie war ihm dankbar dafür gewesen. Doch als der Wächter von einem zweiten Kumpan zurückgepfiffen worden war, hatte Fiona ihren Freund ganz plötzlich mehr als enttäuscht dreinblicken sehen. War es Lex womöglich nicht nur um ihren Schutz, sondern vor allem um ein ordentliches Handgemenge gegangen?
    Sie verstand. Der Mond befahl den Wölfen, dass sie kämpfen, jagen, frei sein mussten. Was also wäre, wenn sie mit Lex und Serafin noch bis zum Vollmond hier eingesperrt bliebe? Wenn die Wölfe in dieser wilden Nacht mit ihr eingepfercht wären – ohne etwas, an dem sie ihre Jagdlust stillen konnten …?
    Keine Beute. Keine Feinde. Nur sie.
    Fiona schluckte. Wenn es so kommen sollte, wie viel würde ihre Freundschaft noch wiegen?
     
    *
     
    Carras blickte auf seine Hände, auf seine langen, spitzen Fingernägel, die die Vollmondnacht ankündigten. Er fühlte sich stark. So stark wie schon lange nicht mehr. Sollte ihn dieser Blitzschweif noch einmal herausfordern – diesmal würde er als Sieger aus dem Kampf hervorgehen!
    Er war ein Wolf. Er wollte hier raus. Wild rüttelte er an dem Fenstergitter, fest davon überzeugt, es diesmal lösen zu können. Unvermittelt kam eine Wolfsfrau mit kurzem schwarzem Haar, über deren Schultern ein tiefblau gefärbter Umhang lag, gefolgt von zwei Dienern, auf den Hof. Während sich die Menge um sie scharte, hallten Schritte den Turm hinunter. Gleich darauf ging der Anführer der Wölfe, dem eine kleine, steife Gestalt folgte, auf die Schwarzhaarige zu. Sie nickten einander zu. Das Tier in Carras verstummte, Hoffnung und Übermut verschwanden, als sich alle zum Kerker wandten.
     
    *
     
    »Komm her!«
    Fiona mochte Befehle nicht, und mit Lex hätte sie für ähnlich harsche Worte wohl einen Streit vom Zaun gebrochen. Doch etwas in Serafins Stimme sagte ihr, dass es jetzt nicht an der Zeit war, sich zu sträuben. Also lief sie zu ihm, der auf die Kerkertür blickte.
    Erst jetzt vernahm auch sie gedämpfte Stimmen hinter den roten Steinen. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss, und Lex stellte sich neben seinen Leitwolf.
    Fiona blickte zu Serafin, der die schmalen Finger spreizte und langsam zu Fäusten ballte.
    Die Tür öffnete sich. Doch die vier Wächter trugen keine Waffen und auch sonst nichts Gefährliches bei sich. Im Gegenteil. Auf einem großen Holzbrett, das sie zu viert schultern mussten, häuften sich Speisen. Um einen massigen, schwarz schimmernden Fisch, dessen weit aufgerissenes Maul beim Tragen auf und ab wippte, als wäre er nicht längst im Todesschlaf,

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