Dreimond - Das verlorene Rudel
Rude l lehre … Jetzt lasst doch mal dieses dramatische Gefasel !«
Dramatisches Gefasel?
»Ihr nehmt das alles viel zu ernst, dabei ist es doch so einfach«, erklärte sie und breitete die Arme aus. »Gleich welcher Herkunft, überall gibt es Idioten. Von denen muss man sich fernhalten, dann ist das Leben schon in Ordnung!«
Er war sprachlos.
»Was für eine Lebensweisheit!«, stöhnte Lex. »Darum also hast du dich zehn Jahre lang im Forsthaus verschanzt …«
Sie grinste.
»Nur solange bis es sich endlich gelohnt hat, herauszukommen. Darum …«, sie holte tief Luft, »… würde ich das hier gern überleben.«
Sie ging los, wohl um die Gegend zu erkunden. Serafin sah zu, wie ihr Körper fast in den hohen Farngewächsen verschwand. Dennoch drehte sie sich nicht noch einmal nach ihm oder Lex um, so als wüsste sie, dass die beiden ihr folgen würden.
Und die Werwölfe folgten dem Mädchen.
*
Mit funkelnden Augen starrte Bluter in den Himmel, als wäre die Sonne seine Feindin, die sich mit jeder Sekunde, in der sie sich sträubte, endlich der Nacht zu weichen, weigerte, ihm den schwarzen Wolfsmann in die Hände zu spielen. Zu lange hatte sich Bluter danach gesehnt, es Schattenklaue heimzuzahlen. Doch noch konnte er nicht im Sintgrund jagen, eines der unnötig langen Rituale der Schwarzen Sichel über sich ergehen lassen.
Es war nun einmal Brauch, dass Alkarn und seine Alkarnswölfin kurz vorm Mondaufgang mit den Beratern und Kohortenführern auf die kommende Nacht anstießen – hoch oben auf dem flachen Dach des Roten Turms, wo sie sich dem Nachtgestirn am nächsten glaubten.
Heute hatte sich Neuschnee bereit erklärt, selbst den Festtagstrunk aus gärenden Herbstfrüchten anzumischen, und Bluter blickte skeptisch in seinen Kelch mit dem bräunlich roten Saft, den jede Dienerin klarer und glänzender aufgetischt hätte. Er verzog die Mundwinkel. Die Wolfsfrau, schön und geschickt, war mit vielen Talenten gesegnet, doch Schmackhaftes zuzubereiten gehörte ganz sicher nicht dazu. Kein Wunder, dass der Alkarnssohn ein frühreifer Flegel war, so wenig mütterlich, wie sie daherkam …
Nun ging die kalte Schöne auf den Leitwolf zu, um ihm als Letztes feierlich von ihrem Wein zu geben. Sie sah Alkarn lange, sehr lange an, bevor sie ihm den Königskelch beinahe bis zum Überlaufen füllte.
Bluter indes wog sein eigenes Trinkgefäß ungeduldig auf und ab.
»Du kannst es wohl kaum erwarten …«, raunte ihm Horniss zu.
Sie traf ins Schwarze. Jahrelang hatte er auf diesen Kampf warten müssen, hatte fast schon nicht mehr daran geglaubt, Schattenklaue jemals aufzuspüren. Doch die Götter waren ihm gnädig gewesen! Sie hatten ihm die Chance geschenkt, heute Nacht die lang herbeigesehnte Rache zu nehmen. Und was tat er? Er stand herum, inmitten all der hohen Rudeltiere, statt unten mit seinen Männern auf den Vollmond anzustoßen, sie anzuheizen, den Schwarzen um jeden Preis aufzuspüren. Zum Teufel, jetzt zauderte Neuschnee auch noch, endlich den Trinkspruch anzubringen.
»Auf einen großen Herrscher!«, sagte sie schließlich mit erhobenem Kelch und wandte sich Alkarn zu. »Denn das bist du für mich, vergiss das nie …«
Endlich konnten sie anstoßen. Wie es sich gehörte, prostete Bluter erst dem Anführer, dann Neuschnee und den anderen Wölfen zu, nippte kaum an seinem Glas und eilte zur Treppe. Als er Neuschnees kalte Augen auf sich spürte, drehte er sich noch einmal um. Es schien ihr nicht zu gefallen, dass er jetzt schon ging.
»Was für ein Wein!«, verabschiedete er sich mit einer übertriebenen Verbeugung. »Aber ich muss jetzt nach meinen Männern sehen.«
»Lass ihn«, rief der Leitwolf und lachte.
»Lass ihn, und komm zu mir, Neuschnee!« Er umarmte sie innig. Neuschnee aber starrte weiter Bluter an, der sich schleunigst davonmachte. Für diese Nachsicht würde er Alkarn im Morgengrauen ein ganz besonderes Geschenk darbieten – den Kopf des schwarzen Wolfes.
*
Dumpf und leise zersplitterte das Glas – und Carras atmete erleichtert aus. Endlich etwas, das so funktionierte, wie er es sich vorgestellt hatte!
Jetzt, wo Serafin und die anderen fortgeschafft worden waren, zählte jede Sekunde, und er konnte sich nicht länger darauf verlassen, dass sich die Chance, von hier zu verschwinden, ganz von selbst durch eine Unachtsamkeit der Wölfe auftun würde. Nein, er hatte lang genug gewartet!
Darum war Carras auf einen Stuhl gestiegen und hatte den massiven mit
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